StVG § 3 Abs. 1; FeV § 11 Abs. 7 § 14 Abs. 1 S. 4 § 46 Abs. 1 und 3, FeV Anlage 4 Nr. 9.2.1 und 9.2.2
Leitsatz
Bei täglichem oder nahezu täglichem Cannabiskonsum ist die Fahrerlaubnis wegen fehlender Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entziehen.
BVerwG, Urt. v. 26.2.2009 – BVerwG 3 C 1.08
Sachverhalt
Der Kläger war im Februar 2005 bei einer Verkehrskontrolle aufgefallen. Gegenüber den Polizeibeamten gab er an, seit etwa einem halben bis dreiviertel Jahr nahezu täglich Cannabis zu konsumieren. Daraufhin wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Begründung, es hätte erst durch Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens geklärt werden müssen, ob ihm die Fahreignung fehle. Seine Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg (vgl. insofern und auch zu Einzelheiten des Sachverhalts das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 13.12.2007 – 10 S 1272/07, zfs 2008, 172.
Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend: Dass er den Cannabiskonsum nicht vom Fahren trennen könne, sei nicht erwiesen. Der vom Gericht gezogene Schluss von der bei ihm nach der Fahrt festgestellten THC-Konzentration auf einen vermeintlich erheblich höheren Wert bei Fahrtbeginn sei unzulässig, da THC bei niedrigen Konzentrationen nicht linear abgebaut werde. Bei Messwerten unter 2 ng/ml THC sei das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch den Cannabiskonsum nicht signifikant erhöht. Zu Unrecht habe sich das Berufungsgericht auch der Auffassung des BayVGH nicht angeschlossen, dass bei THC-Werten zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml zunächst ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen sei. Die der Nr. 9.2.1. der Anlage 4 zur FeV zugrunde liegende Annahme, regelmäßiger Cannabiskonsum führe ohne Weiteres zu fehlender Fahreignung, sei durch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse überholt.
Das BVerwG hat die Revision des Klägers gegen das Urteil des VGH BW vom 13.12.2007 – 10 S 1272/07 (zfs 2008, 172) zurückgewiesen.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „ … II.
[9] Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht ist ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zum Ergebnis gekommen, dass dem Kläger wegen regelmäßigen Cannabiskonsums die Fahreignung fehlte, so dass ihm die Fahrerlaubnis entzogen werden musste.
[10] Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
[11] Dem Kläger fehlte zum für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (vgl. dazu u.a. Urteile vom 27.9.1995 – BVerwG 11 C 34.94 – [zfs 1996, 77 =] BVerwGE 99, 249 <250>= Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 24 S. 5 und vom 5.7.2001 – BVerwG 3 C 13.01 – [zfs 2002, 47 =] Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 29 = NJW 2002, 78 m.w.N.) wegen seines Cannabiskonsums die Fahreignung.
[12] Mit den Auswirkungen von Cannabiskonsum auf die Fahreignung befasst sich die Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV. Gem. Nr. 9.2.1 fehlt bei der regelmäßigen Einnahme von Cannabis die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis besteht nach Nr. 9.2.2 die Fahreignung des Betroffenen, wenn der Cannabiskonsum vom Fahren getrennt wird, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen stattfindet und keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegen. Nach der Nr. 3 der Vorbemerkungen zu dieser Anlage gelten diese Bewertungen für den Regelfall.
[13] Hier war die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger regelmäßig Cannabis konsumiert hat (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV). Ob, wie das Berufungsgericht weiter angenommen hat, außerdem die Voraussetzungen von Nr. 9.2.2 erfüllt waren, also gelegentlicher Konsum und fehlendes Trennungsvermögen, bedarf danach keiner Entscheidung.
[14] 1. Eine regelmäßige Einnahme von Cannabis i.S.v. Nr. 9.2.1 liegt jedenfalls dann vor, wenn täglich oder nahezu täglich Cannabis konsumiert wird.
[15] a) Eine Legaldefinition des Begriffs "regelmäßig" im Zusammenhang mit der Einnahme von Cannabis enthalten weder die FeV noch das StVG. Nach dem gewöhnlichen Wortsinn dieses Begriffs ist ein Verhalten dann als regelmäßig anzusehen, wenn es bestimmten Regeln und Gesetzmäßigkeiten folgt, insbesondere in in etwa gleichen zeitlichen Abständen stattfindet. Weiteren Aufschluss gibt die Systematik von Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV. Anders als nach Nr. 9.2.2. bei gelegentlichem Konsum müssen bei regelmäßiger Einnahme keine zusätzlichen Tatbestandselemente – wie etwa fehlendes Trennungsvermögen – erfüllt sein. Daraus folgt, dass unter regel...