RVG § 15; VV RVG Nr. 2300; BGB § 249
Die Anwaltskosten für die Einholung der Deckungszusage beim Rechtschutzversicherer des Geschädigten gehören nicht zu den vom Unfallgegner zu ersetzenden Aufwendungen.
(Leitsatz des Bearbeiters)
LG Erfurt, Urt. v. 27.11.2009 – 9 O 1029/09
Der Kläger hatte gegen den beklagten Halter und Fahrer und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung vor dem LG Erfurt Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend gemacht. Neben dem Sachschaden und den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung machte der Kläger ferner einen Anspruch auf Freistellung von Anwaltskosten geltend, die ihm für die Einholung der Deckungszusage bei seiner eigenen Rechtsschutzversicherung angefallen waren.
Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme hinsichtlich des Sachschadens und der Kosten der Rechtsverfolgung teilweise stattgegeben, sie hinsichtlich des Freistellungsanspruchs hingegen abgewiesen.
Aus den Gründen:
“3. Dagegen ist der Anspruch des Klägers auf Freistellung von den Kosten (316,18 EUR), die er an seinen Rechtsanwalt wegen der Einholung der Deckungszusage seiner Rechtsschutzversicherung zu zahlen haben wird, nicht begründet.
Denn zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen eines Geschädigten gehören gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nur die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten. Nach st. Rspr. des BGH hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich waren (vgl. BGH zfs 2006, 448 = NJW 2006, 1065 = RVGreport 2006, 236: Zur Ersatzfähigkeit von Rechtsanwaltskosten für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die private Unfallversicherung).
Bei der Einholung der Deckungszusage einer Rechtsschutzversicherung durch einen Rechtsanwalt fehlt es indessen regelmäßig an einer adäquaten Kausalität des Schadensereignisses für die Beauftragung des Rechtsanwalts. Denn entscheidend für die Einholung der Rechtsschutzzusage ist allein, dass der Kläger das Kostenrisiko scheut, nicht auf eigenes, sondern auf das Risiko seiner Rechtsschutzversicherung prozessieren zu wollen. Der damit von ihm selbst verursachte Schaden fällt daher nicht in den Schutzbereich des § 249 BGB (vgl. LG Berlin zfs 2001, 85 = BRAGOreport 2001, 43 (Hansens).
Unabhängig von der fehlenden Kausalität mangelt es vorliegend auch an der Erforderlichkeit einer von einem Rechtsanwalt einzuholenden Deckungszusage. Der hier dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Sachverhalt eines Verkehrsunfalls ist nämlich derart einfach gelagert, dass der Kläger diesen seiner Rechtsschutzversicherung selbst hätte melden oder den von seinem Rechtsanwalt gefertigten Klageentwurf selbst hätte übersenden können, um die Deckungszusage zu erhalten. Dass es an diesem Erfordernis mangelt, belegt auch die Darstellung des Klägervertreters in der Verhandlung vom 16.11.2009, in welcher er einräumte, die Einholung einer Deckungszusage – obwohl gesonderte Angelegenheit i.S.v. § 15 RVG – seinen Mandanten regelmäßig nicht in Rechnung zu stellen und dies auch in dem hier zu entscheidenden Fall nicht getan zu haben, weshalb er – auf Hinweis des Gerichts – sich gehalten sah, seinen ursprünglichen Klageantrag (Ziffer 3.) auf Zahlung der diesbezüglichen Rechtsverfolgungskosten in einen Antrag auf Freistellung dieser Kosten umzustellen.”
Die Entscheidung des LG Erfurt gibt Anlass, das Thema "Anwaltskosten für die Einholung der Deckungszusage" näher zu beleuchten.
1. Auftrag
Für die Einholung der Deckungszusage muss der Rechtsanwalt von seinem Mandanten einen besonderen Auftrag haben. Dieser muss allerdings nicht unbedingt ausdrücklich erteilt worden sein, so AG München JurBüro 1990, 43. Es genügt, wenn sich der Auftrag den Umständen entnehmen lässt. Hierbei genügt es allerdings nicht, wenn der Mandant seinem Rechtsanwalt die Nummer der Rechtsschutzversicherung mitteilt, so AG Buxdehude VersR 1987, 583.
2. Anwaltsvergütung
Ob der Rechtsanwalt für die auftragsgemäße Einholung der Deckungszusage eine besondere Vergütung erhält, hängt davon ab, ob diese Tätigkeit eine besondere Angelegenheit darstellt oder sie von der außergerichtlichen Regulierung des Unfallschadens abgedeckt ist.
a) Keine besondere Angelegenheit
Nach einer im Schwinden befindlichen Minderansicht stellt die auch auftragsgemäße Einholung der Deckungszusage keine besondere Angelegenheit dar, löst mithin auch keine besonderte Vergütung aus, so LG München I zfs 1993, 209 mit abl. Anm. Madert = JurBüro 1993, 163 mit abl. Anm. Mümmler, bestätigt durch Urteil des OLG München vom 4.12.1990 – 13 U 3085/90; AG Charlottenburg Berl.AnwBl. 1984, 293; AG Stadthagen BRAK-Mitt. 1991, 64.
b) Besondere Angelegenheit
Nach ganz überwiegender Auffassung handelt es sich hingegen um eine besondere Angelegenheit, sodass der Rechtsanwalt die Einholung der Deckungszusage gegenüber seinem Mandanten auch gesondert abrechnen kann, so OLG Schleswig JurBüro 1979,...