StGB § 17
Einen Verbotsirrtum kann der Angeklagte nicht vermeiden, wenn er sich durch einen ihm bekannten qualifizierten Rechtsanwalt, mit dem er über Jahre zusammenarbeitete, hat beraten lassen und dieser ihm eindeutig mit auf dem Weg gegeben hat, dass man ihn sofort informieren werde, wenn sich die Rechtslage anders darstelle, eine solche Information dem Angeklagten aber nicht zugegangen ist.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Hamburg-Altona, Urt. v. 15.12.2009 – 328 Cs 2301 Js 118/09 (129/09)
Gegen den Betroffenen wurde durch Bußgeldbescheid des Kreises Minden Lübbecke vom 28.4.2008 eine Geldbuße in Höhe von 250 EUR sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. In dem Bußgeldbescheid heißt es u.a.:
Der Angeklagte führte am 28.8.2008 auf der Autobahn und am 18.10.2008 im Bereich Holstenstraße/Max-Brauer-Allee einen Pkw.
Dem Angeklagten war mit einer Verfügung des Landesbetriebes Verkehr, Führerscheinstelle Hamburg-Nord vom 23. Juli 2008, dem Angeklagten zugestellt am 25. Juli 2008, die Fahrerlaubnis wegen Überschreitung der Punkte im Verkehrszentralregister entzogen worden. Diese Entscheidung ist gem. § 4 Abs. 7 Straßenverkehrsgesetz auch bei Widerspruch oder Anfechtungsklage sofort vollziehbar. Die Zustellung dieser Verfügung erfolgte zwar an der Anschrift des Angeklagten. Allerdings hat der Angeklagte dieses Schreiben nicht selbst in Empfang genommen, sondern den Hinweis auf diese Maßnahme lediglich durch seinen ständigen Mitarbeiter, den Herrn A erhalten. Der Angeklagte selbst befand sich zum damaligen Zeitpunkt auf Grund vielfältiger geschäftlicher Aktivitäten kaum an seiner Meldeanschrift.
Auf Grund dieser Information suchte der Angeklagte die Rechtsanwaltskanzlei XYZ auf. Dort wurde er bereits seit längeren in allen geschäftlichen Angelegenheiten, die seinen Boxstall betrafen, von dem Rechtsanwalt und Zeugen X betreut.
Mit dem Zeugen X hatte der Angeklagte mehrere geschäftliche Dinge zu besprechen. In diesem Zusammenhang sprach der Angeklagte den Zeugen auch auf die Information über den Entzug der Fahrerlaubnis an. Es ist nicht sicher festgestellt mit welchem exakten Wortlaut der Angeklagte den Rechtsanwalt über die Führerscheinmaßnahme informierte. Im Rahmen der stattfindenden umfassenden Beratung in anderen Angelegenheiten teilte der Zeuge X dem Angeklagten mit, nach seinen derzeitigen Informationen gehe er davon aus, dass der Angeklagte zunächst sein Fahrzeug noch führen dürfe. Er werde sich jedoch umgehend um eine genauere Prüfung des Sachverhaltes bemühen. Zu diesem Zwecke werde der Sachverhalt an eine Mitarbeiterin der Kanzlei abgegeben. Sollte sich bei der Prüfung herausstellen, dass der Angeklagte sofort kein Fahrzeug mehr führen dürfe, werde er aus dem Rechtsanwaltsbüro sofort informiert. Diese Besprechung fand zeitnah zu der Zustellung der Entziehungsverfügung statt, ein genauer Zeitpunkt konnte nicht festgestellt werden.
Die Sachbearbeitung innerhalb der Kanzlei wurde an die Rechtsanwältin und Zeugin Y abgegeben. Die Rechtsanwältin Y betreute den Sachverhalt weiter, es wurde ein umfangreiches verwaltungsrechtliches Verfahren durchgeführt, welches schließlich ohne Erfolg blieb. Die Zeugin Y teilte im Verlaufe der weiteren Betreuung dem Angeklagten nicht mit, dass er sofort das Führen von Kraftfahrzeugen einzustellen habe. Die Zeugin Y ging auf Grund einer Information vom Rechtsanwalt X davon aus, dass dieser bereits alle erforderlichen Informationen an den Angeklagten gegeben habe. Nachdem das verwaltungsrechtliche Verfahren erfolglos abgeschlossen worden war, teilte die Zeugin Y dem Angeklagten am 20.10.2008 mit, dass er den Führerschein abzugeben habe. Dieses tat der Angeklagte sodann in den nächsten Tagen.
Das AG spricht den Angeklagten frei.
Aus den Gründen:
“ … III. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat der Angeklagte zwar objektiv den Tatbestand des Fahren ohne Fahrerlaubnis in 2 Fällen verwirklicht, er handelte jedoch ohne Schuld, denn auf Grund einer irrigen Annahme war er der Überzeugung, dass er weiterhin das Kraftfahrzeug führen durfte. Diesen Verbotsirrtum konnte der Angeklagte nicht vermeiden.
Der Angeklagte hatte sich durch einen ihm bekannten qualifizierten Rechtsanwalt, mit dem er über Jahre zusammenarbeitete, beraten lassen. Von diesem Rechtsanwalt hatte er eine klare Aussage erhalten, wonach er zunächst sein Fahrzeug weiter führen dürfe. Der Rechtsanwalt hatte ihm auch eindeutig mit auf dem Weg gegeben, dass man ihn sofort informieren werde, wenn sich die Rechtslage anders darstelle. Eine solche Information ist dem Angeklagten nicht zugegangen. Angesichts dieser Auskunftslage waren weitere Anforderungen an den Angeklagten zur Vermeidung des Verbotsirrtums nicht zu stellen. Der Angeklagte selbst ist juristischer Laie und durfte sich bei dieser Auskunftslage auf die gegebenen Auskünfte ohne weiteres verlassen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte den Schriftverkehr selbst kaum oder nur rudimentär zur Kenntnis genommen hat, da dieses durch seine Mitarbeiter abgewickelt wurde. … .”
Mitgeteilt vo...