VVG a.F. § 12 Abs. 3; EGVVG Art. 1 Abs. 4; VVG § 81
Leitsatz
Die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Leistungsanspruchs gem. § 12 Abs. 3 VVG a.F. kann seit dem 1.1.2008 durch den Versicherer nicht mehr wirksam in Gang gesetzt werden.
OLG Köln, Urt. v. 1.3.2011 – 9 U 166/10
Sachverhalt
Die Kl. unterhielt bei der Bekl. aufgrund des Versicherungsvertrags v. 16.7.2001 unter Einbeziehung der VHB 1996 eine Hausratversicherung für das Objekt X. Sie macht Ansprüche aus einem Explosions- und Brandschaden vom 5.7.2008 geltend, bei dem sie selbst schwere Verbrennungen erlitt und wesentliche Teile des Hausrats Schaden nahmen. Die Kl. hatte an diesem Tag Besuch von ihrem Ex-Lebensgefährten, dem Zeugen I, mit dem es zu einem Streit kam. In dem Kellerraum, in dem es später zur Explosion kam, war zu einem streitigen Zeitpunkt Wundbenzin aus einem Kanister verschüttet worden. Am Abend fuhr der Zeuge I nach Hause. Die Kl. entzündete gegen 22.15 Uhr in dem Kellerraum ein Feuerzeug, was die Explosion auslöste. Wegen ihrer schweren Verbrennungen verblieb sie bis zum 5.8.2008 stationär in einem Krankenhaus. Mit Schreiben ihres damaligen Rechtsanwalts v. 7.8.2008 wurden gegenüber der O GmbH Angaben zum Sachverhalt gemacht. Einen Ortstermin am 20.8.2008 mit dem Schadensregulierer der Bekl. nahm für die Kl. der Zeuge I wahr. Mit Schreiben v. 14.10.2008 lehnte die Bekl. ihre Einstandspflicht ab und setzte der Kl. unter Belehrung über die Folgen des Fristablaufs gem. § 12 Abs. 3 VVG a.F. eine sechsmonatige Klagefrist. Diese wurde in der Folge verlängert bis zum 20.7.2009.
2 Aus den Gründen:
„Die Feststellungsklage ist auch begründet.
a) Die Kl. hat aufgrund des abgeschlossenen Versicherungsvertrags gegen die Bekl. Anspruch auf Gewährung von Deckungsschutz für den erlittenen Hausratsschaden gem. §§ 1, 49 VVG a.F., §§ 4 Nr. 1, 5 Nr. 1 und 4 VHB 96 …
Der Versicherungsfall ist eingetreten. Unstreitig kam es am 5.7.2008 zu einer Explosion im Kellerraum des Hauses der Kl. mit einem nachfolgenden Brand, wodurch ihr Hausrat zu Schaden kam.
b) Die Bekl. kann sich auf Leistungsfreiheit nicht berufen.
aa) Leistungsfreiheit ist nicht nach § 12 Abs. 3 VVG a.F. eingetreten.
Die mit der Novellierung des VVG ersatzlos weggefallene Vorschrift sah Leistungsfreiheit des Versicherers vor, falls nicht der Anspruch auf die Versicherungsleistung innerhalb von sechs Monaten nach schriftlicher Ablehnung des erhobenen Anspruchs unter gleichzeitiger Belehrung über die Rechtsfolgen gerichtlich geltend gemacht wurde. Eine Fristsetzung mit Belehrung über die Folgen der Fristversäumnis erfolgte vorliegend mit Schreiben der Bekl. v. 14.10.2008. Unstreitig ist die dort gesetzte Frist nachfolgend verlängert worden bis zum 20.7.2009.
(1) Ob die Frist vorliegend versäumt worden ist, kann dahingestellt bleiben …
(2) Diese Fragen brauchen nicht entschieden zu werden, da eine Klagefrist gem. § 12 Abs. 3 VVG a.F. nach dem 31.12.2007 nach Auffassung des Senats nicht mehr wirksam gesetzt werden konnte. Die mit Schreiben der Bekl. v. 14.10.2008 gesetzte und später verlängerte Frist lief damit ins Leere.
Der Senat lässt sich dabei von folgenden Erwägungen leiten:
Die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. galt weithin als nicht mehr zeitgemäß, unbillig und als ungerechtfertigtes Privileg des Versicherers, dem die im übrigen Zivilrecht äußerst seltene Möglichkeit eröffnet wurde, ohne Prüfung des materiellen Anspruchs selbst leistungsfrei zu werden (vgl. BVerfG VersR 2004, 1585 … ). Dem hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung des VVG in der seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung durch die ersatzlose Streichung der Vorschrift Rechnung getragen.
In Rspr. und Schrifttum ist vor diesem Hintergrund umstritten, ob die Frist bei Altverträgen aufgrund der Übergangsvorschriften des Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 EGVVG auch nach dem 1.1.2008 noch wirksam gesetzt werden konnte oder ob § 12 Abs. 3 VVG a.F. bereits mit Inkrafttreten des neuen Rechts ab dem 1.1.2008 unanwendbar ist.
Art. 1 Abs. 1 EGVVG regelt die grundsätzliche Fortgeltung des alten VVG bis zum 31.12.2008 auf Altverträge, also Versicherungsverhältnisse, die bis zum Inkrafttreten des neuen VVG am 1.1.2008 entstanden sind, soweit nicht in Abs. 2 und den Artikeln 2–6 etwas anderes bestimmt ist. Hierbei bestimmt Abs. 2 die Fortgeltung alten Rechts auch über das Jahr 2008 hinaus, wenn bei Altverträgen ein Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eingetreten ist. In dem erst kurz vor dem Inkrafttreten auf Empfehlung des Rechtsausschusses eingefügten Art. 1 Abs. 4 EGVVG ist geregelt, dass auf bereits vor dem 1.1.2008 begonnene Fristen nach § 12 Abs. 3 VVG a.F. die Vorschrift auch nach dem 1.1.2008 anwendbar bleiben solle.
Teilweise wird die Auffassung vertreten, es sei zur Beantwortung der Frage, ob die Klagefrist auch nach dem 1.1.2008 noch wirksam gesetzt werden könne, allein auf Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG abzustellen mit der Folge, dass auch nach dem 31.12.2007 die Klagefrist wirksam gesetzt werden könne …
Demgegenüber wird jedenfalls im Schrifttum überwiegend die Auffassung vertreten, die Klage...