Im Straßenverkehr hat’s geknallt, der Chef hat den Job gekündigt oder es gibt Ärger mit der im Internet bestellten Ware – für Streit vor Gericht gibt es viele Gründe. Glücklich schätzt sich dann, wer über eine Rechtsschutzversicherung verfügt, denn der Gang vor den Kadi ist in der Regel teuer.
Häufig machen Rechtssuchende die Beauftragung ihres Anwaltes von der Kostenschutzzusage ihrer Rechtsschutzversicherung abhängig und lassen die Einholung der Kostenübernahmebestätigung als liebgewonnenen unentgeltlichen Service von ihrem Anwalt erledigen. Eine Selbstverständlichkeit ist das aber nicht – und könnte vom Anwalt durchaus gesondert in Rechnung gestellt werden. In der Regel verzichten die Anwälte aber auf eine gesonderte Vergütung, weil der Mandant diesen bequemen Service zu schätzen weiß. Mandanten, die die Kostenschutzanfrage selbst in die Hand nehmen und kurz entschlossen zum Hörer greifen, fühlen sich mitunter von der freundlichen Stimme am anderen Ende der Leitung verunsichert. Denn die eine oder andere Versicherung nutzt die Gelegenheit, um ihrem Kunden eine andere Kanzlei ans Herz zu legen als vielleicht eigentlich erwünscht. "Benötigen Sie die Hilfe eines erfahrenen und kompetenten Rechtsanwalts vor Ort? Wir empfehlen Ihnen gerne einen qualifizierten Rechtsanwalt aus unserem bundesweiten Anwaltsnetzwerk, der genau auf ihren Fall spezialisiert ist", ist beispielsweise auch auf der Homepage eines Versicherers zu lesen.
Oft arbeiten Unternehmen nämlich viel lieber mit ihren "Vertrauensanwälten" zusammen. Die Basis einer solchen Kooperation ist wohl in den meisten Fällen ein so genanntes Regulierungs- oder Rationalisierungsabkommen. Bei diesen Vereinbarungen stimmt der Anwalt zu, geringere Gebühren als üblich von der Versicherung zu erhalten – um hoffnungsfreudig vom Versicherungsunternehmen im Gegenzug als "Vertrauensanwalt" empfohlen zu werden. Einige Versicherer bewerben diese Praxis als zusätzlichen Service für ihre Kunden. So erklärt Christian Lübke vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): "Rechtsschutzversicherer begreifen sich heute nicht mehr als reine Kostenerstatter, sondern möchten ihren Kunden einen optimalen Service bieten. ( … ) Rechtsanwaltsnetzwerke tragen hierzu bei. So erhält der ratsuchende Versicherungsnehmer im Fall der Kontaktaufnahme zum Rechtsschutzversicherer zweierlei: eine Aussage über die Möglichkeit der Kostenübernahme und Hinweise auf in der jeweiligen Angelegenheit versierte, möglichst ortsnahe Anwälte. Die Erfahrungen zeigen, dass viele Versicherungsnehmer diese Zusatzleistung dankbar annehmen."
Den meisten dieser dankbaren Kunden dürfte der Hintergrund einer solchen Kooperation allerdings verborgen bleiben. Mögliche Interessenkonflikte des empfohlenen Advokaten sind für den Versicherten nicht erkennbar – für viele Anwälte dafür umso offensichtlicher. So schreibt Rechtsanwalt Carsten Hoenig auf der Homepage des RSV-Blogs, der sich zum Ziel gesetzt hat, über "praktische Erfahrungen mit den Leistungen der Rechtsschutzversicherer" zu berichten: "Die Empfehlung einer Kanzlei ist eine Leistung des Versicherers an diese Kanzlei. Und ohne Gegenleistung geht in der Wirtschaft regelmäßig gar nichts. Ein auf diesem Wege empfohlener Anwalt ist oft Diener zweier Herren." Auch Rechtsanwalt Maier befürchtet auf derselben Website: "Es sind Fallkonstellationen denkbar, bei denen ein solcher RSV-RA (Rechtsschutzversicherung-Rechtsanwalt) Parteiverrat/Untreuetatbestände erfüllt, weil er das Sparinteresse der RSV über das Rechtsverfolgungsinteresse des Mandanten stellt".
Die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vereinbarungen sind vielseitig und bestehen seit Jahren: Dr. Bernhard Dombek, ehemaliger Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer, äußerte bereits 2004 in einem offenen Brief seine Bedenken in berufsrechtlicher Hinsicht, da er in den Abkommen die Möglichkeit einer unzulässigen Gebührenunterschreitung sah. Auch Rechtsanwalt Dr. Hubert van Bühren, Präsident der Rechtsanwaltskammer Köln, beurteilt die Abkommen jedenfalls dann als illegal, wenn die Sondervereinbarungen gegenüber den Versicherungsnehmern nicht offen gelegt werden. Und Joachim Cornelius-Winkler, Fachanwalt für Versicherungsrecht, hält die Vereinbarungen wegen des möglichen Interessenkonflikts des Rechtsanwalts grundsätzlich für unwirksam. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 1989 (AZ BGH – I ZR 242/87) stützt diese Auffassung: Ein Mieterverein untersagte in seinen Aufnahmebedingungen den Mitgliedern das Recht auf eigene Wahl eines Anwalts und arbeitete stattdessen nur mit selbst ausgewählten Juristen zusammen. Zur Begründung trug der Verein vor, dass er im Interesse einer kostensparenden Risikokontrolle auf erfahrene und spezialisierte Anwälte angewiesen sei und dass die Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung in jedem Fall zurückhaltend zu prüfen seien. Daraus schlossen die Richter, dass der Vereins-Anwalt in einen Widerstreit der Interessen gerate: Zwischen das seines Mandanten auf una...