TB/KK Nr. 1 zu MB/KK § 4 (1); VVG § 192
Leitsatz
Eine Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die die Erstattungsfähigkeit der Kosten für physiotherapeutische Behandlungen nichtärztlicher Therapeuten auf die Höchstsätze des Gebührenverzeichnisses für die Angehörigen der Gesundheits- und Medizinalberufe und der GOÄ begrenzt, ist nicht überraschend und im Übrigen wirksam.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 6.3.2019 – IV ZR 108/18
Sachverhalt
Der Kl. nimmt den Bekl., bei dem er eine private Krankenversicherung im Tarif 105 unterhält, auf die Erstattung von Kosten für physiotherapeutische Behandlungen in Anspruch. Dem Vertrag liegen AVB zugrunde. Darin heißt es in "§ 4 Umfang der Leistungspfiicht" u.a.:
Zitat
"1. zu § 4 (1) MB/KK:"
a) Gebühren und Kosten sind im tariflichen Umfang bis zu den Höchstsätzen der jeweils gültigen amtlichen ärztlichen Gebührenordnungen sowie den Verordnungen über Krankenhauspflegesätze in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin-West erstattungsfähig. Keine Leistungspflicht besteht für die Teile einer Liquidation, die diese Höchstsätze überschreiten oder nicht den Vorschriften der Gebührenordnungen bzw. Verordnungen über Krankenhauspflegesätze entsprechen. Das gilt auch, wenn durch Vereinbarung eine von diesen Verordnungen abweichende Regelung getroffen wurde. (…)“
Der Kl. nimmt seit 1999 physiotherapeutische und krankengymnastische Behandlungen in Anspruch. Mit Schreiben vom 2.7.2014 teilte der Bekl. dem Kl. mit, dass auch bei so genannten Heilmitteln, wozu insb. Physiotherapie-Anwendungen zählten, nur Kosten bis zu den Höchstsätzen der amtlichen Gebührenordnungen berücksichtigt würden. Für Physiotherapie-Leistungen nichtärztlicher Therapeuten werde zukünftigen Abrechnungen deshalb das Gebührenverzeichnis für die Angehörigen der Gesundheits- und Medizinalberufe (GebüHh) zugrunde gelegt, soweit nicht im Einzelfall die Höchstsätze der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) noch darüber lägen.
Der Kl. legte dem Bekl. in der Folgezeit weitere Rechnungen vor, die der Bekl. nur noch teilweise erstattete.
2 Aus den Gründen:
"… [16] 2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg."
[17] a) Das BG hat die streitbefangene Klausel zu Recht als wirksam vereinbart angesehen.
[18] Die in ihr enthaltene Einschränkung des Erstattungsanspruchs ist nicht überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB.
[19] aa) Es ist in der Senatsrechtsprechung geklärt, dass der Versicherte gerade in Anbetracht eines mit dem Hauptleistungsversprechen weit gesteckten Leistungsrahmens, alle mit der Heilbehandlung zusammenhängenden Aufwendungen zu übernehmen, davon ausgehen wird, dass dieses Leistungsversprechen näherer Ausgestaltung bedarf, die auch Einschränkungen nicht ausschließt (Senat VersR 2005, 64 unter II 2 a; VersR 2004, 1035 unter II 3 a; VersR 1999, 745 unter II 3 a).
[20] bb) Anderes kann der VN – entgegen der Auffassung der Revision – auch im Streitfall nicht allein deshalb annehmen, weil es in der zusammenfassenden Beschreibung des "Tarif(s) 105 Ambulanter Krankheitskostentarif mit summenmäßig bestimmter Selbstbeteiligung" durch den Bekl. heißt, dass die dort genannten ambulanten Heilbehandlungen in diesem Tarif zu 100 % erstattet würden. Diese lediglich eine Seite umfassende Zusammenfassung stellt offenkundig keine abschließende Regelung der vertraglichen Leistungspflichten dar, sondern hat nur den Charakter einer Übersicht. Das wird schon daraus deutlich, dass sie unmittelbar nach der Überschrift den Hinweis enthält, dass für Versicherungsverhältnisse nach diesem Tarif die jeweiligen Allgemeinen Versicherungsbedingungen gelten.
[21] Der VN wird deshalb davon ausgehen, dass die Bezeichnung "100 %" nur den in diesem Tarif grds. erstattungsfähigen Prozentsatz der Aufwendungen angibt, aber nicht zugleich annehmen, dass damit jedes beliebige mit einem Behandler vereinbarte Honorar erstattungspflichtig ist, sondern damit rechnen, dass diesbezügliche Einzelheiten, insb. etwaige Begrenzungen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelt sind. Ein überraschenden Klauseln innewohnender Überrumpelungseffekt (…) scheidet damit aus.
[22] b) Die Klausel erfasst auch physiotherapeutische Leistungen, die nicht von Ärzten erbracht werden.
[23] aa) AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (…). In erster Linie ist dabei vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind (…).
[24] bb) Der Wortlaut der Klausel beschränkt die Kostenbegrenzung nicht auf von Ärzten erbrachte Leistungen, sondern erfasst alle Gebühren und Kosten unabhängig von der Person des konkreten Behandlers und regelt insoweit allgemein eine Obergrenze der Erstattungspflicht. Voraussetzung für diese Obergrenze ist danach lediglich, dass es sich um Leistungen handelt, die der Sache nach ...