Einen Sonderfall des psychischen Schadens bildet der Schockschaden, der im Zusammenhang mit dem Tod oder der schweren Verletzung eines nahen Angehörigen entsteht. Das betone ich, weil ein Fall zum BGH gelangt ist, in dem allen Ernstes Schmerzensgeld für den Schockschaden eines Hundehalters nach dem Unfalltod seines Lieblings verlangt wurde. Nach diesem Urteil gehört ein solcher Unfall bzw. Verlust des Hundes zum allgemeinen Lebensrisiko, während es Schadensersatz für Schockschaden nur wegen der engen personalen Verbundenheit mit einem Menschen geben kann. Zu beachten ist, dass ein Schockschaden zu materiellem Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB wie auch zu immateriellem nach § 253 Abs. 2 BGB führen kann.
Jedenfalls setzt der Anspruch voraus, dass die Beeinträchtigung Krankheitswert hat, also einen pathologisch fassbaren Gesundheitsschaden darstellt, der nach Art und Schwere über das hinausgeht, was Nahestehende in derartigen Fällen erfahrungsgemäß an Beeinträchtigungen erleiden und was als Schicksalsschlag entschädigungslos hingenommen werden muss. Eine unangemessene Erlebnisverarbeitung fällt in das Lebensrisiko des Geschädigten – für dessen allgemeine Anfälligkeit für neurotische Fehlentwicklungen hat der Schädiger also nicht einzustehen. Auch hier können sich schwierige Abgrenzungsfragen stellen, die einen Sachverständigen unentbehrlich machen.
Zum Schockschaden gibt es neue Entscheidungen des BGH. Im ersten Fall waren der Kläger und seine Ehefrau auf Motorrädern unterwegs. Dem entgegenkommenden Kraftfahrer konnte der Kläger noch ausweichen, während seine ihm nachfolgende Ehefrau beim Zusammenstoß mit dem Auto tödliche Verletzungen erlitt. Der BGH hat die Revision zugelassen, nachdem das Berufungsgericht dem Kläger ein Schmerzensgeld versagt hatte, obwohl dieser an einer akuten Belastungsreaktion mit fortdauernden Angstzuständen, Schweißausbrüchen und Zittern litt und seinen Beruf sowie das Motorradfahren aufgeben musste. Das ging über die gesundheitlichen Auswirkungen hinaus, denen Hinterbliebene beim Unfalltod von Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind. Als ausschlaggebend bezeichnet der BGH, dass der Kläger den Unfall selbst miterlebt hatte.
Er grenzt hier also deutlich gegenüber den Fällen ab, in denen der Erhalt der Todesnachricht den Schock ausgelöst hat und sagt, eine zweifelsfreie Haftung sei dann gegeben, wenn der Geschädigte unmittelbar am Unfall beteiligt war. Andernfalls ist die Haftung zweifelhaft, aber wohl nicht ausgeschlossen, wie ein zwei Wochen später entschiedener Fall zeigt. Hier war ein Kind beim Spielen von einem Pkw verletzt und von der Mutter mit schweren Verletzungen aufgefunden worden. Diese machte eine posttraumatische Belastungsstörung geltend, für die jedoch die tatsächlichen Feststellungen nicht ausgereicht haben. Hierzu sagt der BGH, dass die Mutter weder direkt am Unfall beteiligt war noch diesen unmittelbar miterlebt habe. Ob das von ihr nur aus der Distanz erlebte Geschehen ein schwerwiegendes traumatisches Erleben darstelle, sei unklar, was zur Aufhebung und Zurückverweisung führe. Dem kann man wohl entnehmen, dass ein ersatzfähiger Schockschaden auch dann, wenn keine direkte Unfallbeteiligung vorliegt, zwar nicht "zweifelsfrei" ist, aber doch in Betracht kommt.
Zur Verdeutlichung noch ein weiterer Fall zu der Frage, ob ein psychischer Schaden dem Unfallereignis oder dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen ist. Beim Zusammenstoß eines mit vier Personen besetzten Pkw mit einem Geisterfahrer kam es zu einem Brand, bei dem beide Fahrzeuge verbrannten und mit ihnen sowohl der Geisterfahrer als auch die vierköpfige Familie. Zwei Polizeibeamte unterbrachen ihre Heimfahrt, um – leider vergeblich – zu helfen. Einer von ihnen wurde infolge des Erlebten für mehrere Monate dienstunfähig. Der Dienstherr verlangte hier Schadensersatz, ging aber leer aus, weil die Polizeibeamten nicht am Unfall beteiligt und deshalb wie zufällige Zeugen des Verkehrsunfalls zu behandeln waren, so dass ihre bloße Anwesenheit ihrem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen war.