VVG § 60 § 61 § 63
Leitsatz
1. Ist der Versicherungsvermittler (hier: Makler) zu einer Besichtigung des zu versichernden Objekts nicht verpflichtet, so hat er keine Pflicht, zu dokumentieren, ob im Rahmen der Beratung eine Besichtigung stattgefunden hat. Das Fehlen einer solchen Dokumentation führt zu keiner Beweiserleichterung für den VN.
2. Wenn der VN Antragsfragen in einem Formular beantwortet (und dieses selbst ausfüllt oder auch durch den Versicherungsvermittler ausfüllen lässt), muss der Versicherungsvermittler dazu grds. (und auch hier) keine Dokumentation erstellen.
OLG Hamm, Urt. v. 20.6.2018 – 20 U 16/18
Sachverhalt
Der Kl. nimmt die Bekl., eine Versicherungsmaklerin, auf Zahlung wegen fehlerhafter Beratung durch einen ihrer Geschäftsführer bei Abschluss einer Wohngebäudeversicherung in Anspruch. Nach Abschluss der Wohngebäudeversicherung Mitte 2012 kam es am 12.3.2017 zu einem Brandschaden mit einem Zeitwertschaden von 90.240 EUR. Der VR lehnte seine Einstandspflicht ab, nachdem er den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung des Kl. bei Beantwortung der Zeichnungsfrage 3 im Antragsformular angefochten hatte. Sie lautete:
Zitat
"Handelt es sich bei den eingetragenen Objekten, oder Teilen davon um ein Sanierungsobjekt oder leestehende Gebäude oder Gebäude zur Entmietung durch Sanierung?"
Diese hatte der Kl. objektiv falsch mit "Nein" beantwortet. Das Gebäude stand leer und sollte saniert werden.
Der Kl. behauptet, die Antwort mit "Nein" sei auf ausdrückliches Anraten des ihn beratenden Geschäftsführers der Bekl. erfolgt, obwohl er – der Kl. – diesen konkret auf die Frage angesprochen und dieser erwidert habe, die Frage könne verneint werden, da die "Sanierung zu Vermietungszwecken" erfolge. Weiter wirft der Kl. der Bekl. vor, der ihn beratende Geschäftsführer der Bekl. habe nach einer Besichtigung des Gebäudes den Leerstand und die Sanierungsbedürftigkeit selbst positiv gekannt.
2 Aus den Gründen:
"… Dem Kl. stehen die geltend gemachten Haupt- und Nebenforderungen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insb. nicht aus § 63 S. 1 VVG i.V.m. §§ 249 ff. BGB, zu. Der Kl. konnte bereits eine der Bekl. zurechenbare Pflichtverletzung ihres Geschäftsführers, insb. wegen Verstoßes gegen § 61 Abs. 1 S. 1 VVG nicht beweisen; einen Verstoß gegen § 60 Abs. 1 S. 1 VVG macht der Kl. bereits nicht geltend."
1. Allerdings gehen die Pflichten des Versicherungsmaklers weit. Er hat als Vertrauter und Berater des VN individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz zu besorgen (vgl. BGH WM 2016, 1632 Rn 18 m.w.N.). Vorliegend musste die Bekl. vor diesem Hintergrund das Antragsformular mit dem Kl. vollständig durchgehen und ausfüllen sowie insb. die Zeichnungsfragen beantworten lassen und etwaige Nachfragen des Kl. zutreffend selbst beantworten.
Angesichts des von den Geschäftsführern der Bekl. im Senatstermin dargestellten, unstreitigen gebliebenen Konzepts der konkreten Gebäudeversicherung, die nicht abhängig war vom tatsächlichen Versicherungswert und von der Größe der zu versichernden Objekte o.ä., sondern hier maßgeblich nur von der Anzahl der zu versichernden Wohneinheiten und der Art der Nutzung, war die Bekl. jedoch nicht zu einer Besichtigung der zu versichernden Objekte verpflichtet. Insb. bedurfte es einer solchen Besichtigung auch nicht, um zu klären, ob es sich um ein (teilweise) bewohntes oder leerstehendes Gebäude/Sanierungsobjekt im Sinne der Zeichnungsfrage 3 handelte. Denn diese klare und eindeutige Frage, die auch unstreitig von dem beratenden Geschäftsführer der Bekl. gestellt und zwischen dem Kl. und dem beratenden Geschäftsführer der Bekl. besprochen worden ist, war ohne eine Untersuchung und Prüfung der zu versichernden Objekte einfach durch Nachfrage beim VN zu beantworten.
Dem steht nicht entgegen, dass der BGH allgemein gehalten ausgeführt hat, der Makler müsse von sich aus das Risiko untersuchen und das Objekt prüfen (…). Denn Untersuchung des Risikos und Prüfung des Objekts bedeutet nicht, dass stets ein Besichtigungstermin am zu versichernden Objekt zu erfolgen hätte. Eine Besichtigung ist nur erforderlich, wenn relevante Fragen sich nur auf diese Art und Weise klären lassen. Dies war hier aus den genannten Gründen nicht der Fall.
Sollte der beratende Geschäftsführer der Bekl. hingegen gleichwohl eine Besichtigung der zu versichernden Objekte vorgenommen haben, hätte er den Antrag mit der unzutreffend beantworteten Zeichnungsfrage 3 nicht an den VR weiterreichen dürfen (…).
2. Dass die Bekl. diesen Pflichten nicht genügt hätte, weil der beratende Geschäftsführer der Bekl. die Zeichnungsfrage 3 trotz Besichtigung der zu versichernden Objekte und/oder trotz konkreter Nachfrage des Kl. falsch beantwortet ließ, lässt sich nicht feststellen.
a) Der Kl. hat eine Besichtigung der zu versichernden Objekte seitens des beratenden Geschäftsführers der Bekl. nicht bewiesen.
aa) Eine Beweislastumkehr oder überhaupt eine Beweiserleichterung findet hier nicht statt. Allerdings fehlt jede förmliche und überreichte Dokumentation (§...