EmoG §§ 2, 3 Abs. 4, StVO §§ 45 Abs. 1g, 42 Abs. 2 Anlage 3, Zeichen 314; VwVG NW § 77 Abs. 1
Leitsatz
1. Wird ein nicht elektrisch betriebenes Fahrzeug auf einem Sonderparkplatz für Elektrofahrzeuge abgestellt, rechtfertigt die damit einhergehende Funktionsbeeinträchtigung dieser Verkehrsfläche eine Abschleppmaßnahme regelmäßig auch ohne konkrete Behinderung eines im Sinne vom § 2 EmoG bevorrechtigten Fahrzeugs.
2. In einem solchen Fall gebietet auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Regel nicht die Einhaltung eine bestimmten Wartezeit.
VG Gelsenkirchen, Urt. v. 23.1.2020 – 17 K 4015/18
Sachverhalt
Der Kl. wendet sich gegen die Inanspruchnahme für die Kosten einer Abschleppmaßnahme durch die Bekl.
Mit Leistungsbescheid vom 18.7.2018 setzte die Bekl. die vom Kl. zu tragenden Abschleppkosten in Höhe von insgesamt 335 EUR (222 EUR laut Rechnung des Abschleppunternehmens zuzüglich einer Verwaltungsgebühr i.H.v. 115 EUR) fest. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Das Fahrzeug sei auf einem Parkplatz abgestellt gewesen, der durch entsprechende Verkehrszeichen ausschließlich elektrisch betriebenen Fahrzeugen vorbehalten sei. Für die Inanspruchnahme und zur Erkennbarkeit dieser Bevorrechtigung sei für Fahrzeuge der zusätzliche Kennbuchstabe "E" auf dem Kennzeichen erforderlich. Über ein solches verfüge das klägerische Fahrzeug nicht. Infolge der dadurch ausgelösten Funktionsbeeinträchtigung habe das verkehrsordnungswidrig abgestellte Fahrzeug abgeschleppt werden dürfen, da ein Verfügungsberechtigter in der Nähe des Fahrzeugs nicht erreichbar gewesen sei. Gegen den Bescheid hat der Kl. am 2.8.2018 Klage erhoben.
2 Aus den Gründen:
"… Die Anfechtungsklage ist unbegründet. Der Leistungsbescheid vom 18.7.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Der Kl. ist zurecht zu den Abschleppkosten (Gebühren und Auslagen) nach § 77 Abs. 1 VwVG NRW i.V.m. §§ 15 Abs. 1 Nr. 7, 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 7, 8 der Verordnung zur Ausführung des VwVG NRW – VO VwVG – herangezogen worden. (…)
Durch das Elektromobilitätsgesetz vom 5.6.2015 (BGBl I S. 898) – EmoG – hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, Elektromobilität auf vielfältige Weise zu fördern (vgl. hierzu: BayVGH, Beschl. v. 13.7.2018 – 8 CE 18.1071, juris).
Insbesondere ist in § 3 Abs. 4 Nr. 1 EmoG die mögliche Bevorrechtigung von Elektrofahrzeugen auch für das (bloße) Parken auf öffentlichen Straßen oder Wegen normiert worden, ohne dass mit dem Parkvorgang zwingend eine gleichzeitige Ladetätigkeit einhergehen müsste. Die gesetzliche Ermächtigung (vgl. § 3 Abs. 5 EmobG) ist durch die Fünfzigste Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 15.9.2015 (BGBl I. S. 1573) u.a. in Art. 2 Ziff. 2 und 6 durch Einfügung des § 45 Abs. 1g und Anfügung der Nr. 3. a) in Spalte 3 der lfd. Nr. 7 zur Anl. 3 dahingehend umgesetzt worden, dass “Durch Zusatzzeichen die Parkerlaubnis zugunsten elektrisch betriebener Fahrzeuge beschränkt sein (kann)'.
Auf einem nach dieser Maßgabe im hier fraglichen Bereich der L.-straße in E. eingerichteten Sonderparkplatz für Elektrofahrzeuge war das klägerische Fahrzeug abgestellt, obwohl es kein elektrisch betriebenes Fahrzeug in diesem Sinne ist (vgl. zur Begriffsbestimmung § 2 EmoG). Die damit einhergehende Verkehrsordnungswidrigkeit stellt der Kl. auch nicht in Abrede.
Nach der höchst- und obergerichtlichen Rspr. ist regelmäßig ein Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge geboten, wenn sie andere Verkehrsteilnehmer behindern. Eine derartige Behinderung ist bereits dann gegeben, wenn Verkehrsflächen in ihrer Funktion beeinträchtigt sind (BVerwG, Beschl. v. 18.2.2002 – 3 B 149/01, juris [= zfs 2002, 503]; OVG NRW, Beschl. v. 20.12.2012 – 5 A 2802/11, juris, jeweils zu Abschleppmaßnahmen bei sog. Gehwegparken).
So liegt es auch hier. Entgegen der Auffassung des Kl. wurde durch das unberechtigte Parken und die damit bereits eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit in Gestalt einer Verletzung der Rechtsordnung die mit der Ausweisung des Sonderparkplatzes verbundene Funktion, das – bloße – Parken von allein berechtigten Elektrofahrzeugen zu ermöglichen, beeinträchtigt. Die damit einhergehende Funktionsbeeinträchtigung dieser Verkehrsfläche rechtfertigte die Abschleppmaßnahme. Der parkvorberechtigte Personenkreis soll darauf vertrauen können, dass der gekennzeichnete Parkraum diesem jederzeit zur Verfügung steht. Ein Abschleppvorgang ist deshalb auch ohne konkrete Beeinträchtigung des bevorrechtigten Personenkreises grundsätzlich nicht unangemessen. Das findet seine Rechtfertigung darin, dass in aller Regel zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Erlass einer Abschleppanordnung weder absehbar ist, wann das nächste parkberechtigte (Elektro-)Fahrzeug dort eintreffen wird, noch eingeschätzt werden kann, wann der Verantwortliche das dort unberechtigt abgestellte Fahrzeug selbst wegfahren wird. Ebenfalls ist die Abschleppmaßnahme nicht deshalb unverhältnismäßig, weil das Vorhandensein eines Sonderparkplatzes für Elektrofa...