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[13] Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO, § 42 VwGO) statthaft. (…)
[16] Bei den verfahrensgegenständlichen Schreiben der Bekl. V. 23.9.2015 und v. 31.3.2016 handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 32 Abs. 1 S. 1 BRAO, § 35 S. 1 VwVfG) in Gestalt eines belehrenden Hinweises beziehungsweise einer missbilligenden Belehrung. (…)
[20] In den Schreiben nimmt die Bekl. zu § 50 Abs. 3 BRAO a.F. abschließend Stellung und bewertet die Zurückbehaltung der Vollstreckungstitel als unzulässig. Der Inhalt der Schreiben macht deutlich, dass sich die Bekl. bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Frage festgelegt hat. Auch ist das Schreiben vom 31.3.2016 mit einer förmlichen – wenngleich unzutreffenden – Rechtsmittelbelehrung versehen und dem Kl. zugestellt worden. Es handelt sich mithin um einen Verwaltungsakt (vgl. BGH NJW 2017, 2556 nRn 18 ff. m.w.N. und v. 29.1.2018 – AnwZ (Brfg) 32/17, juris nRn 4 f.).
[21] Die Klage ist zudem zulässig. (…)
[22] Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kl. in seinen Rechten.
[23] Denn der Kl. hat nicht gegen berufsrechtliche Pflichten verstoßen, indem er die drei Vollstreckungstitel wegen Nichtzahlung der Kostenrechnungen vom 19. und 20.5.2014 zurückbehalten hat.
[24] Das Verhalten des Kl. verstieß insb. nicht gegen § 50 Abs. 3 BRAO in der bis zum 17.5.2017 gültigen Fassung oder gegen § 43a Abs. 5 BRAO i.V.m. § 4 Abs. 2 BORA.
[25] Unabhängig von der Frage, aus welcher Bestimmung der BRAO eine berufsrechtliche Pflicht des Rechtsanwalts zur Herausgabe von Handakten vor der ab dem 18.5.2017 gültigen Neufassung des § 50 BRAO herzuleiten war (vgl. dazu BGH, Urt. v. 3.11.2014 – AnwZ (Brfg) 72/13, juris), hat der IX. Zivilsenat des BGH schon mit Urt. v. 3.7.1997 – IX ZR 244/96, juris entschieden, dass sich das bis zum 8.9.1994 in § 50 Abs. 1 BRAO a.F. geregelte Zurückbehaltungsrecht des Rechtsanwalts auch auf Geschäftsunterlagen wie vollstreckbare Ausfertigungen von Grundschuldbestellungsurkunden bezieht. Zwar bestehe an vollstreckbaren Urkunden in aller Regel kein Zurückbehaltungsrecht des Rechtsanwalts nach § 273 BGB. Das Zurückbehaltungsrecht nach § 50 BRAO ist aber ein Sonderrecht des Rechtsanwalts, das weiter geht als das allgemeine Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB und es dem Anwalt ermöglichen soll, seine berechtigten Ansprüche gegen den Auftraggeber auch ohne Prozess und ohne Anrufung der Gerichte durchzusetzen. Damit ist insoweit dem Rechtsanwalt gestattet, was nach der allgemeinen Regel des § 273 BGB dem Auftraggeber nicht erlaubt ist: Er darf, sofern das nicht ausnahmsweise zu einer besonders schweren Beeinträchtigung des Auftraggebers führt, auch dessen Geschäftsunterlagen als Druckmittel zur Begleichung seiner Honoraransprüche verwenden. Der damit verbundene weitgehende Eingriff in die Geschäftstätigkeit des Mandanten erfordert jedoch zum Ausgleich insofern eine enge Auslegung, als Honorarforderungen aus anderen Aufträgen desselben Mandanten grundsätzlich nicht miteinbezogen werden dürfen. Das Zurückbehaltungsrecht besteht vielmehr in aller Regel nur wegen der Forderungen, die sich aus der konkreten Angelegenheit ergeben, auf die sich die zurückbehaltene Handakte bezieht (BGH, Urt. v. 3.6.1997 – IX ZR 244/96, a.a.O. Rn 21).
[26] Dass die vollstreckbaren Urkunden, deren Herausgabe Frau F vom Kl. verlangt, vorliegend zu dessen Handakten gehören, folgt aus § 50 Abs. 4 BRAO in der bis zum 17.5.2017 gültigen Fassung. Danach sind Handakten im Sinne der Absätze 2 und 3 dieser Bestimmung “die Schriftstücke, die der Rechtsanwalt aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit von dem Auftraggeber oder für ihn erhalten hat'. Bei den drei im vorliegenden Fall heraus verlangten vollstreckbaren Ausfertigungen des Beschl. des OLG vom 2.2.2012 und der Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Amtsgerichts v. 26.6.2012 handelt es sich unzweifelhaft um Schriftstücke, die der Kl. für seine (vormalige) Auftraggeberin erhalten hat. Dass es sich dabei gleichzeitig um geldwerte Urkunden im Sinne von § 4 Abs. 2 BORA gehandelt haben mag, ändert daran nichts. Nach dem konkreten Mandatsverhältnis musste der Kl. die Titel auch nicht etwa unverzüglich an Frau F als Auftraggeberin weiterleiten, denn er sollte auftragsgemäß Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner einleiten, wozu er die vollstreckbaren Ausfertigungen benötigte.
[27] Da die offenen Gebühren des Kl. für seine Tätigkeit im Zusammenhang mit den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gerade auch aus diesen Titeln angefallen sind, kann er darauf sein Zurückbehaltungsrecht nach § 50 Abs. 3 BRAO a.F. stützen. Die Honorarforderungen resultieren aus der konkreten Angelegenheit, auf die sich die zurückbehaltene Handakte bezieht.
[28] Das abweichende Verständnis der Bekl. würde das sich aus § 50 Abs. 3 BRAO a.F. ergebende Sonderrecht des Rechtsanwalts in vielen Fällen quasi leerlaufen lassen.
[29] Dass sich ein Zurückbehaltungsrecht des Rechtsanwalts bis zur Befriedigu...