BGB §§ 253 II, 280 I, 839 I; GG Art. 34; SGB VII §§ 2 I Nr. 8b, 8 II Nr. 1–4, 104 I S. 1, 136 III Nr. 3
Leitsatz
1. Eine Schülerin, die im Rahmen eines Sportunterrichts einer privaten Schule einen Unfall erlitten hat, kann nicht erfolgreich den Sachkostenträger dieser Schule, der gem. § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 8b als Unternehmer i.S.d. SGB VII anzusehen ist, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach § 253 BGB in Anspruch nehmen, da der Sachkostenträger für ein etwaiges pflichtwidriges Verhalten einer Sportlehrerin nicht einzustehen hat. Der Sachkostenträger ist nicht gehalten, Vorkehrungen in Bezug auf eine Unterrichtung der an der Schule beschäftigten Sportlehrer zu treffen, wie diese ihre Aufsichtspflicht während des Sportunterrichts beim Geräteturnen ausüben.
2. Während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenhang mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen besteht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 8b SGB VII i.V.m. § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII i.V.m. § 136 Abs. 3 SGB VII eine Haftungsprivilegierung dahingehend, dass eine Einstandspflicht für einen Versicherungsfall nur besteht, wenn dieser vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt wird.
3. Für das Vorliegen eines vorsätzlichen Handelns trifft die Schülerin die Darlegungs- und Beweislast.
4. Für das Vorliegen eines vorsätzlichen Handelns reicht bei einem Sportunfall bedingter Vorsatz aus (i.A. an OLG Frankfurt/M. v. 14.3.2013 – 1 U 200/12, MDR 2013, 846 f. = juris Rn 3 und 4).
5. Die infolge des Sportunterrichts verletzte Schülerin kann nicht die Sportlehrerin, der sie eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorwirft, persönlich in Anspruch nehmen, weil diese als Beamtin im haftungsrechtlichen Sinne nicht passivlegitimiert ist. Insoweit ist die Klage gegen die betreffende Anstellungs-Körperschaft der Sportlehrerin zu richten.
OLG Koblenz, Urt. v. 16.5.2019 – 1 U 1334/18
Sachverhalt
Die bei einem Schulunfall verletzte, zum Unfallzeitpunkt 13 Jahre alte Kl. nimmt die Bekl. zu 1) als Schulträgerin einer Privatschule und die Sportlehrerin, die Bekl. zu 2), auf den Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
Die Kl. hatte im Sportunterricht mit Hilfe eines quer zur Laufrichtung vor dem Kasten befindlichen Federsprungbrettes im Hocksprung zu springen. Die Sportlehrerin leistete jeweils Hilfe. Nachdem die Sportlehrerin die Halle verlassen hatte, blieb die Kl. bei ihrem Sprung über den Kasten mit den Füßen an der Kante des Kastens hängen. Sie geriet ins Straucheln, überschlug sich und landete mit dem rechten Arm auf dem Ellenbogen.
Sie erlitt eine rechtsseitige Ellenbogenluxation sowie eine Radiusköpfchenfraktur rechts und eine traumatische Bänderfraktur. Der Unfall wurde von der Unfallkasse als Sportunfall anerkannt und entsprechende Leistungen wurden erbracht.
Die Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von 60.000 EUR und Feststellung der Ersatzpflicht wurde von dem LG abgewiesen.
Die Berufung der Kl. war erfolglos.
2 Aus den Gründen:
"… II.
1. Der Kl. steht gegen die Bekl. zu 1) als Sachkostenträger der H.-Schule, der gem. § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 8b als Unternehmer i.S.d. SGB VII anzusehen ist, kein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Schulvertrag oder ein Schmerzensgeldanspruch gem. § 253 BGB zu.
Ein derartiger Anspruch scheitert schon daran, dass der Bekl. zu 1) als (bloßer) Sachkostenträger für ein etwaiges pflichtwidriges Verhalten der Bekl. zu 2) als Sportlehrerin der Kl. während des Sportunterrichts nicht verantwortlich ist. Der Bekl. zu 1) war in seiner Eigenschaft als Sachkostenträger entgegen den Ausführungen der Berufung der Kl. nicht gehalten, Vorkehrungen in Bezug auf eine Unterrichtung der an der Schule tätigen Sportlehrer zu treffen, wie diese ihre Aufsichtspflicht während des Sportunterrichts beim Geräteturnen ausüben.
Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Haftung des Bekl. zu 1) auch deshalb nicht vor, weil zugunsten des Bekl. zu 1) für Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenhang mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 8b SGB VII i.V.m. § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII i.V.m. § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII die Haftungsprivilegierung gilt, wonach eine Einstandspflicht für einen Versicherungsfall nur besteht, wenn dieser vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt wird.
Diese Voraussetzungen liegen aus den nachfolgend unter Nr. 2 dargestellten Gründen nicht vor.
2. Der Kl. steht ebenso wenig gegen die Bekl. zu 2) als die den Sportunterricht am 8.4.2013 leitende Sportlehrerin ein Schadensersatzanspruch oder ein Schmerzensgeldanspruch zu.
a) Wie bereits ausführlich in der mündlichen Verhandlung im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage ausgeführt, kann die Bekl. zu 2) nicht erfolgreich persönlich in Anspruch genommen werden, weil sie nicht p...