Leitsatz (amtlich)
1. Eine Schülerin, die im Rahmen eines Sportunterrichts einer privaten Schule einen Unfall erlitten hat, kann nicht erfolgreich den Sachkostenträger dieser Schule, der gemäß § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII i. V. m § 2 Abs. 2 Nr. 8 b)als Unternehmer im Sinne des SGB VII anzusehen ist, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach § 253 BGB in Anspruch nehmen, da der Sachkostenträger für ein etwaiges, pflichtwidriges Verhalten einer Sportlehrerin nicht einzustehen hat. Der Sachkostenträger ist nicht gehalten, Vorkehrungen in Bezug auf eine Unterrichtung der an der Schule beschäftigten Sportlehrer zu treffen, wie diese ihrer Aufsichtspflicht während des Sportunterrichts beim Geräteturnen ausüben.
2. Während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenhang mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen besteht gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 8 b) SGB VII i. V. m. § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII i. V. m. § 136 Abs. 3 Ziffer SGB VII eine Haftungsprivilegierung dahingehend, dass eine Einstandspflicht für einen Versicherungsfall nur besteht, wenn dieser vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt wird.
3. Für das Vorliegen eines vorsätzlichen Handels trifft die Schülerin die Darlegungs- und Beweislast.
4. Für das Vorliegen eines vorsätzlichen Handels reicht bei einem Sportunfall bedingter Vorsatz aus (in Anknüpfung an OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 14.03.2013 - 1 U 200/12 - MDR 2013, 846 f., zitiert nach juris, Rn. 3 und 4).
5. Die infolge des Sportunterrichts verletzte Schülerin kann nicht die Sportlehrerin, der sie eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorwirft, persönlich in Anspruch nehmen, weil diese als Beamtin im haftungsrechtlichen Sinne nicht passivlegitimiert ist. Insoweit ist die Klage gegen die betreffende Anstellungs-Körperschaft der Sportlehrerin zu richten.
Normenkette
BGB § 253 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 839 Abs. 1; GG Art. 34; SGB VII § 2 Abs. 2 Nr. 8 b, § 8 Abs. 1, 2 Nr. 1 bis 4, § 105 Abs. 1 S. 1, § 136 Abs. 3 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Mainz (Aktenzeichen 1 O 304/16) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 05.10.2018 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das vorbezeichnete Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % der aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Unfallereignisses während des Sportunterrichts in Anspruch.
Die am 17.08.1999 geborene und zum Unfallzeitpunkt 13 Jahre alte Klägerin besuchte am 08.04.2013 die H.-Schule, ... in B.. Trägerin der Schule ist die Beklagte zu 1), die Beklagte zu 2) ist die Sportlehrerin der Klasse.
Die Beklagte zu 2) führte am 08.04.2013 im Rahmen der Unterrichtsreihe "Sprunghocke" einen Stationsbetrieb zum Erlernen der "Stützsprunghocke" durch. Dabei stand ein hoher Kasten mit einem Federsprungbrett davor quer zur Laufrichtung der Schülerin. Die Schülerinnen mussten den Kasten im Hocksprung überspringen. Die Übungen wurden in mehreren Stationen der Turnhalle durchgeführt. Bei jeder Station befanden sich durch die Beklagte zu 2), die Sportlehrerin, zugewiesene Schülerinnen als Hilfe.
Nachdem die Beklagte zu 2) die Turnhalle verlassen hatte, blieb die Klägerin bei ihrem Sprung über den Kasten mit den Füßen in der vorderen Kante des Kastens hängen. Dabei geriet sie ins Straucheln, überschlug sich und landete mit dem rechten Arm dergestalt, dass sie sich am Ellenbogen verletzte. Die Klägerin erlitt eine rechtsseitige Ellenbogenluxation sowie eine Radiusköpfchenfraktur rechts und eine traumatische Bänderruptur. Die Fraktur des Radiusköpfchens wurde osteosynthetisch versorgt.
Die Unfallkasse Rheinland-Pfalz erkannte den Unfall als Schulunfall an und erbrachte entsprechende Leistungen an die Klägerin.
Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin forderten die Beklagten mit außergerichtlichem Schreiben vom 28.11.2013 zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von vorläufig 60.000,00 EUR auf sowie der Feststellung der Ersatzpflicht des zukünftigen materiellen und immateriellen Schadens (vgl. Anlage K 1, Bl. 8 ff. d. A.). Der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 2) lehnte mit Schreiben vom 17.12.2013 (Anlage K 2, Bl. 11 d. A.) unter Hinweis, dass ein Arbeits- bzw. Schulunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII vorliege und damit das Haftungsprivileg nach §§ 104, 105, 106 SGB VII gegeben sei, einen Anspruch ab.
Für den Beklagten zu 1) lehnten die Rheinland Versicherungen mit Schreiben vom 27.12.2013 (Anlage K 3, Bl. 12 d. A.) eine Einstandspflicht für das Unfallereignis vom 08.04.2013 unter Hinweis auf §§ 104 ff. SGB VII i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 8 b SG...