Entscheidungsstichwort (Thema)
Sportunfall im Schulunterricht; Haftungsbegrenzung auf Vorsatz auch bezüglich des Verletzungserfolgs
Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei einem Sportunfall im Schulunterricht gilt die Haftungsbegrenzung der §§ 106, 105 SGB VII dahin, dass ein Schädiger nur bei - auch bedingtem - Vorsatz bezüglich des Verletzungserfolgs haftet.
2. Für die Annahme eines solchen Vorsatzes müssen als Anknüpfungspunkt objektive Tatsachen dargetan werden, die den hinreichend sicheren Schluss auf die innere Tatsache eines entsprechenden Vorsatzes zulassen.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 34; SGB 7 § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b; SGB 7 § 105 Abs. 1 S. 1; SGB 7 § 106 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 05.06.2012; Aktenzeichen 9 O 71/12) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 5.6.2012 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Wiesbaden wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das erstinstanzliche Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sach- und Streitstands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das LG ist zu Recht zu der Auffassung gelangt, dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Schmerzensgeld, Aufwendungsersatz und Feststellung wegen des bedauerlichen Schulunfalls im Sportunterricht am ... 03.2011, als die Klägerin durch eine umfallende, gerade zuvor von mehreren Schülern unsachgemäß hochkant aufgestellte Weichbodenmatte mit einem Gewicht von 130 kg am Bein verletzt wurde, nicht zustehen. Diese Entscheidung beruht weder auf einem Rechtsfehler noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
1. Ein Schulunfall, wie er bedauerlicherweise hier die Klägerin als Erstklässlerin getroffen hat, und ebenso Unfälle im Rahmen von Arbeitsverhältnissen unterliegen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 8b SGB VII i.V.m. § 106 Abs. 1 Nr. 2 und § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII einer Haftungsprivilegierung. Zwar werden nach den Vorschriften des Sozialrechts - selbstverständlich - sämtliche Krankheitskosten, welche aus einem von einem Mitglied der Schulgemeinde oder einem Arbeitskollegen verursachten Unfall folgen, erstattet. Gegenstand der Haftungsprivilegierung ist aber, dass insbesondere kein Schmerzensgeld verlangt werden kann. Der Gesetzgeber hat eine Schmerzensgeldzahlung bewusst ausgeschlossen, um den Schulfrieden oder den Arbeitsfrieden, der auf dem gemeinsamen Zusammenwirken Vieler gründet, nicht neben dem bedauerlichen Unfall noch zusätzlich durch die Möglichkeit, Schmerzensgeld zu fordern und Schmerzensgeld zahlen zu müssen, zu belasten. Diese Entscheidung des Gesetzgebers für ein Haftungsprivileg gilt auch, soweit - etwa wie hier aus einem Schulunfall - Amtshaftungsansprüche gegen die Anstellungskörperschaft (Art. 34 GG/§ 839 BGB) in Rede stehen (vgl. etwa BGH, Urt. v. 27.6.2002, NJW 2002, 3096 f.).
2. Eine Ausnahme von diesem Haftungsprivileg macht der Gesetzgeber nur bei vorsätzlichem Handeln dessen, der wegen einer Pflichtverletzung in Anspruch genommen wird. Entsprechend dem dargestellten Zweck der Haftungsprivilegierung ist aber erforderlich, dass nicht nur bezüglich der Verletzungshandlung vorsätzlich gehandelt wurde, sondern dass Vorsatz auch bezüglich des Verletzungserfolgs anzunehmen ist, also auch der Verletzungserfolg zumindest billigend in Kauf genommen wurde (ständige Rechtsprechung des BGH und des erkennenden Amtshaftungssenats, s. BGH, Urt. v. 11.2.2003, BGHZ 154, 11 [juris Rz. 9 ff]; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.11.2000 - 1 U 99/00). Voraussetzung für einen Anspruch, für den ausnahmsweise die Haftungsprivilegierung nicht eingreift, ist demnach, dass hinreichende Anhaltspunkte gegeben sind, aus denen sich der sichere Schluss ziehen lässt, dass der Vorsatz des Schädigers auch den eingetretenen Schaden umfasste, er also auch diesen Schaden zumindest billigend in Kauf nahm, er also auch mit dem Eintritt des Verletzungserfolgs in dem Sinne einverstanden ist, dass er ihn billigend in Kauf nimmt.
3. Für eine solche Annahme sieht der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte. Selbst wenn man einmal mit dem Vortrag der Klägerin rechtlich unterstellt, dass Anhaltspunkte für das Vorliegen des kognitiven Elements - also des Wissenselements - bestünden, kann hieraus nicht der Schluss auf das Vorliegen auch des für einen bedingten Vorsatz erforderlichen voluntativen Elements gezogen werden; denn das kognitive Element des bedingten Vorsatzes entspricht dem der bewussten Fahrlässigkeit, eröffnete also ebenso den Schluss auf eine bloße bewusste Fahrlässigkeit. Für die Annahme, dass die Turnlehrkraft B den bei der Klägerin bedauerlicherweise eingetretenen Verletzungserfolg billigend in Kauf genommen hätte, vermag der Senat den tatsächlichen Umständen, unter denen es zu dem Unfall kam, keinen An...