VVG § 43 Abs. 2 § 44; BGB § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt.; AKB 2.7.13
Leitsatz
1. Hat der Leasingnehmer für das Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen, kommt es im Falle eines Totalschadens für die Erstattung der Mehrwertsteuer allein auf die im Zeitpunkt des Schadensfalles bestehenden Verhältnisse des Leasinggebers an.
2. Überträgt der Versicherungsnehmer trotz eines zugunsten des Leasinggebers bestehenden Sicherungsscheins seine Ansprüche an einen Dritten und erstattet die Versicherung diesem im Anschluss irrtümlich auch die Mehrwertsteuer, hat sie einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger.
OLG Dresden, Urt. v. 26.5.2020 – 4 U 2522/19
1 Aus den Gründen:
"… Die Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch aus § 812 Abs. 1, S. 1, Fall 2 BGB auf Rückzahlung von Kaskoversicherungsleistungen in Höhe des Mehrwertsteueranteils, die sie an die Bekl. überwiesen hat."
1. Die Bekl. hat den von der Kl. überwiesenen Mehrwertsteueranteil ohne rechtlichen Grund erlangt. Insoweit zutreffend hat das LG festgestellt, dass für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Umsatzsteuer als Teil der geschuldeten Leistungen aus dem Kaskoversicherungsvertrag allein auf die Verhältnisse der Leasinggeberin, der Fa. H. Leasing GmbH, abzustellen ist.
Der Leistungsumfang der Kaskoversicherung wird in den AKB näher geregelt. Danach ist der Wiederbeschaffungswert der Preis, der für den Kauf eines gleichwertigen gebrauchten Fahrzeugs am Tag des Schadensereignisses bezahlt werden muss (vgl.A.2.7.3. AKB 2015). Mehrwertsteuer wird nicht erstattet, soweit Vorsteuerabzugsberechtigung besteht (vgl.A.2.13 AKB 2015).
Nach den Bedingungen des in die Kraftfahrtversicherung einbezogenen Leasing-Sicherungsscheines, die insoweit auch die AKB 2015 abändern, galt die Versicherung für die Rechnung des Leasinggebers, so dass eine Fremdversicherung zugunsten des Fahrzeugeigentümers, der Fa. H. Leasing GmbH, gem. § 43 Abs. 2 VVG vorgelegen hat. Die vorstehend zitierten AKB-Klauseln, die vom Normalfall der Versicherung des eigenen Fahrzeugs für eigene Rechnung ausgehen, sind bei der hier vorliegenden Fremdversicherung so zu verstehen, dass auf die Verhältnisse des versicherten Eigentümers abzustellen ist, der ein Ersatzfahrzeug erwirbt, da nur er die ihm zufließende Ersatzleistung zur Wiederbeschaffung eines anderen Fahrzeugs verwendet (vgl. BGH VersR 1988, 949). Hat der Leasingnehmer für das geleaste Fahrzeug eine Kfz-Vollkaskoversicherung abgeschlossen, kommt es daher im Falle eines Totalschadens für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer allein auf die zum Zeitpunkt des Schadensfalles bestehenden Verhältnisse des Leasinggebers als Eigentümer an (vgl. BGH NJW 1993, 2870). Denn wird in der Kaskoversicherung der Wiederbeschaffungswert abgerechnet, liegt der Schaden ausschließlich beim Leasinggeber als Eigentümer des Fahrzeugs, so dass der Leasingnehmer keine Schäden aus eigenem Recht geltend machen kann. Im Streitfall stand das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt im Eigentum der Fa. H. Leasing GmbH als Leasinggeberin, einer zum Vorsteuerabzug berechtigten Gesellschaft. Der Leasingnehmer hat dagegen unstreitig kein neues Fahrzeug über die Bekl. gekauft oder geleast. Da es sich um einen Totalschaden handelte, war die Kl. daher nicht verpflichtet, als Versicherungsleistung neben dem Wiederbeschaffungswert auch die von der Bekl. in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer zu zahlen.
2. Die Kl. kann ihren Rückzahlungsanspruch im Wege der Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB) gegenüber der Bekl. geltend machen und muss sich nicht an ihren VN halten.
a) Die Kl. hat die Zahlung der Kaskoversicherungsleistungen an die Bekl. in der Annahme einer Anweisung des VN Dr. K. entsprechend der mit Schreiben v. 1.11.2017 beigefügten Abtretungserklärung v. 25.10.2017 geleistet. In den Fällen der Leistung kraft Anweisung vollzieht sich der Bereicherungsausgleich nach st. Rspr. des BGH grds. innerhalb des jeweiligen fehlerhaften Leistungsverhältnisses, also zum einen zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen im so genannten Deckungsverhältnis und zum anderen zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger im so genannten Valutaverhältnis. Nach dem bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff bewirkt der Angewiesene, der von ihm getroffenen, allseits richtig verstandenen Zweckbestimmung entsprechend, mit seiner Zuwendung an den Anweisungsempfänger zunächst eine eigene Leistung an den Anweisenden und zugleich eine Leistung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger (st. Rspr., … BGHZ 147, 269, 273 m.w.N.). Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht ausnahmslos. Der Angewiesene hat einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB gegen den Anweisungsempfänger, wenn eine wirksame Anweisung fehlt. In diesen Fällen hat der Angewiesene lediglich erfolglos versucht, eine Leistung an den Anweisenden zu erbringen. Der Zuwendungsempfänger ist daher in sonstiger Weise auf Kosten des Angewiesenen bereichert und deshalb dessen Anspruch aus Nichtleistungskondiktion aus...