VVG § 103; BGB § 307; AHB F.3
Leitsatz
1. Der Deckungsausschluss der Tierhalterhaftpflichtversicherung für Schäden infolge bewussten Abweichens von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen oder Anordnungen ist wirksam.
2. Der sich auf den Deckungsausschluss berufende Versicherer muss nachweisen, dass die Versicherungsnehmerin gewusst hat, was sie hätte tun oder unterlassen müssen, um dem Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens zu entgehen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Frankfurt, Urt. v. 15.7.2020 – 7 U 47/19
Sachverhalt
Die Kl. nimmt die Bekl. auf Deckungsschutz aus einer Tierhalterhaftpflichtversicherung in Anspruch. Sie ist Halterin des Mischlingshundes "B" und unterhielt bei der Bekl. eine Privathaftpflichtversicherung, die eine Tierhalterhaftpflichtversicherung umfasste. Dem Vertrag liegen die AHB Ziffer F.3 AHB hat folgenden Wortlaut: "Ausgeschlossen bleiben Ansprüche gegenüber jedem Versicherungsnehmer oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen oder Anordnungen am Wohnort des Versicherungsnehmers verursacht hat".
Am XX.XX.2011 fügte der Hund einem damals 10-jährigen Mädchen eine Bissverletzung zu.
Mit Bescheid v. 4.6.2012 ordnete das Verwaltungsreferat Stadt1 gegenüber der Kl. an, dass Begegnungskontakte des Hundes mit Kindern bis ca. 14 Jahren (außer die Eltern sind hier mit dem Kontakt explizit einverstanden) und zu den Kindern V1 und V2 von Frau V3 durch Ausweichen, notfalls durch Umkehren zu vermeiden seien; hierbei müsse der Mindestabstand drei Meter betragen. Der Bescheid wurde der Kl. am 9.6.2012 durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt, wobei die genaue Uhrzeit zwischen den Parteien streitig ist.
Am 9.6.2012 hielt sich die Kl. mit ihrem Hund auf einer Parkbank E-Straße in Stadt1 auf und unterhielt sich mit einer Bekannten. Es handelt sich um eine öffentliche Parkanlage der Stadt mit Spielplatzgelände. Die Grünanlagensatzung untersagt "das Freilaufenlassen bzw. das Mitführen von Hunden auf Kinderspielplätzen, Spiel- und Liegewiesen, in Zieranlagen, Biotopen oder im Westpark, außer auf den Wegen in diesen Bereichen, wenn die Hunde an der kurzen Leine geführt werden". Der Hund war angeleint. Die Streithelferin näherte sich dem Hund, streichelte ihn am Rücken und tastete sich weiter vor in Richtung Kopf. Der Hund knurrte und biss die Streithelferin ins Gesicht, die hierbei schwere Verletzungen erlitt und stationär behandelt werden musste. Die Kl. wurde rechtskräftig zur Zahlung von Schadenersatz an die Streithelferin verurteilt.
2 Aus den Gründen:
"… Die Bekl. kann sich auch nicht auf den Risikoausschluss nach Ziffer F.3 AHB berufen."
Nach Ziffer F.3 AHB bleiben ausgeschlossen Ansprüche gegenüber jedem VN oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen und Anordnungen am Wohnort des VN verursacht hat.
Entgegen der Ansicht der Streithelferin ist die Regelung in Ziff. F.3 AHB wirksam.
Eine Unwirksamkeit ergibt sich nicht aus einer unangemessenen Benachteiligung des VN i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB.
Zwar weicht die Vorschrift von § 103 VVG ab, wonach der VR dann nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn der VN vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeiführt. § 103 VVG ist jedoch nicht Teil der halbzwingenden Vorschriften im Bereich der Haftpflichtversicherung, wie sich § 112 VVG entnehmen lässt, und damit abdingbar. Die Klausel benachteiligt den VN auch nicht unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Zwar ist sie dem VN nachteilig, soweit sich der Vorsatz nicht auf den Schaden, sondern nur auf die Pflichtwidrigkeit beziehen muss. Das wird aber durch den Vorteil kompensiert, dass nur direkter Vorsatz, nicht aber bedingter Vorsatz, bezüglich der Pflichtverletzung genügt (BGH NJW-RR 2001, 1311; …).
Es handelt sich auch nicht um eine ungewöhnliche und damit überraschende Klausel. Den Ausschluss von vorsätzlich herbeigeführten Schäden von der Leistungspflicht sieht § 103 VVG ausdrücklich vor. Auch Ziff. 10.4 Nr. 1 AHB sieht einen Ausschluss für wissentliche Pflichtverletzungen im Rahmen der Privathaftpflichtversicherung vor. Vor diesem Hintergrund ist die Klausel nicht so ungewöhnlich, dass ein durchschnittlicher VN nicht mit ihr zu rechnen braucht, zumal sie nicht versteckt ist, sondern an prominenter Stelle der nur eine Seite umfassenden besonderen Bedingungen für die Tierhalterhaftpflichtversicherung angeführt ist.
Die Klausel genügt auch den Anforderungen des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung klar und verständlich ist. Vielmehr geb...