Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungsschutz für Hundebiss (hier: Betreten eines Spielplatzgeländes mit dem versicherten Hund)
Leitsatz (amtlich)
Tierhalterhaftpflichtversicherungen können wirksam ihre Deckungspflicht für Ansprüche ausschließen, bei denen der Schaden durch "bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen oder Anordnungen" verursacht wurde.
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 04.01.2019; Aktenzeichen 9 O 271/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 04.01.2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden abgeändert und die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zu einer Höhe von 5.000.000,- EUR von Ansprüchen von A, geboren XX.XX.2010, C-Straße ..., Stadt1, gegen die Klägerin aufgrund des Vorfalls vom 09.06.2012, bei welchem A in der Parkanlage E-Straße in Stadt1 von dem Hund der Klägerin in die rechte Gesichtshälfte gebissen wurde, freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der jeweiligen Vollstreckungsgläubigerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Deckungsschutz aus einer Tierhalterhaftpflichtversicherung in Anspruch.
Die Klägerin ist Halterin des Mischlingshundes "B" und unterhielt bei der Beklagten eine Privathaftpflichtversicherung, die eine Tierhalterhaftpflichtversicherung umfasste. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) sowie die Beschreibung des versicherten Risikos zur Tierhalterhaftpflichtversicherung für Hunde zugrunde. Ziffer F.3 AHB hat folgenden Wortlaut: "Ausgeschlossen bleiben Ansprüche gegenüber jedem Versicherungsnehmer oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen oder Anordnungen am Wohnort des Versicherungsnehmers verursacht hat". Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 (Anlagenband) Bezug genommen.
Am XX.XX.2011 fügte der Hund einem damals 10-jährigen Mädchen eine Bissverletzung zu.
Mit Schreiben vom 05.08.2011 gab das ...verwaltungsreferat Stadt1 der Klägerin Gelegenheit zur Äußerung zu der beabsichtigten Anordnung von sicherheitsrechtlichen Maßnahmen.
Bei einer Vorsprache der Kläger am 17.08.2011 belehrte die Behörde die Klägerin mündlich, die Sicherheit ihres Hundes zu verbessern und insbesondere den Kontakt des Hundes zu Kindern zu vermeiden. Am 25.10.2011 und 27.02.2012 erfolgten zusätzliche telefonische Belehrungen.
Mit Schreiben vom 15.03.2012 gab das ...verwaltungsreferat Stadt1 der Klägerin erneut Gelegenheit zu einer beabsichtigten Anordnung von Maßnahmen. Die Klägerin sprach am 26.03.2012 bei der Behörde vor. Es wurde ein Vermerk gefertigt: "LZ; Freilauf nur, wenn keine Kinder hinzukommen können (übersichtl. Freilaufflächen) Mindestabstand 20 m zu Kindern; zu Zeiten, in denen die Kinder zu und von der Schule kommen/gehen, ist der Hund an der Leine zu führen". Wegen der Einzelheiten wird insofern auf die Anlage K 6 (Anlagenband) Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 04.06.2012 (Anlage B 4, Bl. 76 ff. der Akte) ordnete das ...verwaltungsreferat Stadt1 gegenüber der Klägerin an, dass Begegnungskontakte des Hundes mit Kindern bis ca. 14 Jahren (außer die Eltern sind hier mit dem Kontakt explizit einverstanden) und zu den Kindern Vorname1 und Vorname2 von Frau Vorname3 Nachname1 durch Ausweichen, notfalls durch Umkehren zu vermeiden seien; hierbei müsse der Mindestabstand drei Meter betragen. Der Bescheid wurde der Klägerin am 09.06.2012 durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt, wobei die genaue Uhrzeit zwischen den Parteien streitig ist.
Am 09.06.2012 hielt sich die Klägerin mit ihrem Hund auf einer Parkbank E-Straße in Stadt1 auf und unterhielt sich mit einer Bekannten. Es handelt sich um eine öffentliche Parkanlage der Stadt1 mit Spielplatzgelände, die im Grünanlagenverzeichnis der Stadt1 verzeichnet ist. § 2 Abs. 3 Nr. 6 der Grünanlagensatzung untersagt "das Freilaufenlassen bzw. das Mitführen von Hunden auf Kinderspielplätzen, Spiel- und Liegewiesen, in Zieranlagen, Biotopen oder im Westpark, außer auf den Wegen in diesen Bereichen, wenn die Hunde an der kurzen Leine geführt werden". Der Hund war angeleint. Die Streithelferin näherte sich dem Hund, streichelte ihn am Rücken und tastete sich weiter vor in Richtung Kopf. Der Hund knurrte und biss die Streithelferin ins Gesicht, die hierbei schwere Verletzungen erlitt und vom XX.06.2012 bis zum XX.08.2012 stationär behandelt werden musste.
Gegen die Klägerin erging wegen fahrlässiger Körperverletzung ein Stra...