"… Das LG führt zutreffend aus, dass im Rahmen des § 254 BGB (Mitverschulden) auch eine Tiergefahr zu berücksichtigen ist, für die der Geschädigte einzustehen hat. Die Tiergefahr, die von dem selbst gehaltenen Tier ausgeht und den Schaden mitverursacht, muss sich der Geschädigte insoweit entsprechend § 254 BGB anrechnen lassen (mit zahlreichen Nachweisen Palandt/Sprau, BGB, 80. Aufl., § 833 Rn 13). Zutreffend ist auch, dass für den Fall, dass zwei Tiere zum Schadenseintritt beigetragen haben, sich die Verpflichtung zum Ersatz des Schadens nach dem Gewicht bestimmt, mit dem die jeweilige Tiergefahr in der Schädigung wirksam geworden ist (BGH, Urt. v. 5.3.1985 – VI ZR 1/84, juris; Urt. v. 6.7.1976 – VI ZR 177/75, juris; OLG Koblenz, Urt. v. 25.5.1983 – 7 U 1572/82, juris; OLG Koblenz, Urt. v. 18.3.1988 – 2 U 90/87, juris; OLG Hamm, Urt. v. 24.11.1994 – 6 U 236/93, juris). Entscheidend ist, mit welchem Gewicht sich das in den Tieren jeweils verkörperte Gefahrenpotenzial in der Schädigung manifestiert hat (BGH, Urt. v. 5.3.1985 – VI ZR 1/84, juris). Bei der insoweit gebotenen Betrachtung kann unter Umständen auch das Verhalten des Tierhalters als ein die Tiergefahr steigerndes (potenziertes) Element berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 5.3.1985 – VI ZR 1/84, juris). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gelangt der Senat vorliegend zu einer Haftungsverteilung von 80 % zu 20 % zugunsten der Kl. Der Senat hat sich dabei von folgenden Überlegungen leiten lassen."
Zwar hat sich im Ergebnis in einem durch die Anwesenheit des Hundes des verstorbenen Ehemannes der Kl. ausgelösten “Anziehen' des Hundes der Bekl. eine spezifische (vom Hund des verstorbenen Ehemannes der Kl. ausgehende) Tiergefahr ausgewirkt. Es ist allgemein bekannt, dass Hunde bei Sichtkontakt aufeinander reagieren. Auch mag dieses “Anziehen' durchaus durch das Knurren des Hundes verstärkt worden sein. (…)
Den sich hieraus ergebenden Mitverursachungsbeitrag bewertet der Senat jedoch nicht als hoch. Der Hund war ordnungsgemäß angeleint, befand sich nah am Körper und machte erkennbar keinerlei Anstalten sich dem Hund der Bekl. zu nähern. Es war allein der über einen Zentner schwere Hund der Bekl., der sich losriss und den anderen Hund angriff. Der Hund der Bekl. stellte hierbei auch allein aufgrund seiner Stärke ein erhebliches Gefährdungspotential dar. Die Bekl. hat in der mündlichen Verhandlung v. 6.6.2018 selbst angegeben, ihr Hund sei ein unkastrierter Rüde und würde einfach keine Rüden mögen. Dieses Verhalten habe man ihm auch in der Hundeschule nicht abgewöhnen können. Die Bekl. wusste daher um die potenzielle Gefährlichkeit ihres eigenen Hundes. Auch war sie, so stellt sich der Sachverhalt jedenfalls für den Senat dar, im Ergebnis überhaupt nicht in der Lage, ihren Hund körperlich unter Kontrolle zu halten und diesen sachgerecht zu führen. Ansonsten erscheint es dem Senat nicht nachvollziehbar, dass es dem Hund der Bekl. gelang, sich trotz des “Drückens in die Hecke' loszureißen und sich anschließend auf den Hund des verstorbenen Ehemannes der Kl. zu stürzen. Der “Verursachungsbeitrag' des Hundes der Bekl. ist damit absolut überwiegend, so dass ihm bzw. im Ergebnis der Bekl. ein Verursachungsbeitrag von 80 % zuzumessen war. …“
zfs 6/2021, S. 325 - 326