Die Bekl. ist verpflichtet, der Kl. für die beabsichtigte außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen Deckung zu gewähren (§ 125 VVG).
1. Die Bekl. kann sich weder auf das Fehlen einer hinreichenden Erfolgsaussicht noch auf Mutwilligkeit berufen (§ 3a (1) ARB).
a) Das beabsichtigte Vorgehen gegen die drei Anspruchsgegner hat hinreichende Aussicht auf Erfolg.
aa) In § 3a (1) ARB bringt der VR zum Ausdruck, dass er Versicherungsschutz unter den sachlichen Voraussetzungen gewährt, unter denen eine Partei Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO beanspruchen kann (…). Daher dürfen an die Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussicht keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Sie ist schon dann erfüllt, wenn der von einem Kl. vertretene Rechtsstandpunkt aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zutreffend oder zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (BGH NJW 1988. 266; Schmitt in Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 9. Aufl. § 3a ARB 2010 Rn 17).
Dagegen kann eine Kostendeckungszusage nicht mit der Begründung abgelehnt werden, es sei unwahrscheinlich, dass erhebliche, aber bestrittene Tatsachen vom VN mit den von ihm benannten, grundsätzlich geeigneten Beweismitteln bewiesen werden können (…). Ausreichend ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der Prozessführung. Im Zweifel ist zugunsten des VN zu entscheiden (HK-VVG/Münkel, 4. Aufl. § 3a ARB 2010 Rn 5; Herdter in Looschelders/Paffenholz, ARB, 2. Aufl. § 3a ARB 2010 Rn 17; van Bühren in van Bühren/Plote, ARB, 3. Aufl. § 3a ARB Rn 9). Wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängig, hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung in der Regel schon deshalb hinreichende Aussicht auf Erfolg (BGH NJW-RR 2007, 908).
bb) Nach diesen Maßstäben liegt hinreichende Erfolgsaussicht für das geplante Vorgehen gegen die Vorstände Dr. B. und M. und gegen E. vor, welches der Kl. jeweils u.a. auf § 826 BGB stützt.
(1) Hinreichende Erfolgsaussicht besteht zunächst für das beabsichtigte Vorgehen gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft E. wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung im Sinne von § 826 BGB.
(a) Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (BGH NJW 2020, 1962). Hierfür reicht eine Pflichtverletzung nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen (…). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (…).
Eine Haftung eines Wirtschaftsprüfers aus § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung von Kapitalanlegern kommt in Betracht, wenn der Bestätigungsvermerk nicht nur unrichtig ist, sondern der Wirtschaftsprüfer seine Aufgabe nachlässig erledigt hat, zum Beispiel durch unzureichende Ermittlungen oder durch Angaben ins Blaue hinein, und er dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag gelegt hat, die angesichts der Bedeutung des Bestätigungsvermerks für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint (BGH VersR 2020, 1120).
(b) Die Einschätzung des Kl., dass E. in diesem Sinne sittenwidrig gehandelt und ihm dadurch einen Vermögensschaden zugefügt hat, ist auf Basis seines schlüssigen und unter Beweis gestellten Vortrags im Klageentwurf jedenfalls vertretbar.
(aa) Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die uneingeschränkten Bestätigungsvermerke, welche E. für die Jahre 2015, 2016, 2017 und 2018 erteilt hatte, unrichtig waren, hat der Kl. in dem Klageentwurf u.a. unter Verweis auf die Ergebnisse des Sonderuntersuchungsberichts der KPMG vom 27.4.2020 schlüssig vorgetragen.
Unstreitig war E. seit dem Geschäftsjahr 2009 alleiniger Abschlussprufer der Wirecard AG. Im Klageentwurf ist dargelegt, E. habe nicht beachtet, dass in den Prüfjahren jeweils in der Rechnungslegung als Aktivposten bzw. Vermögenswerte ausgewiesene Bankguthaben auf Treuhandkonten im Zusammenhang mit dem Geschäft mit "Third Party Acquirers" (TPA) nicht existiert hätten, zumindest deren Existenz offenkundig nicht nachweisbar gewesen sei. Im Rahmen der Abschlussprüfung hätten E. keine geeigneten Nachweise vorgelegen, die es zugelassen hätten, uneingeschränkte Bestätigungsvermerke zu erteilen. So hätten Nachweise für das Bestehen der TPA-Geschäfte, für die in diesem Zusammenhang generierten Umsatzerlöse und für die Bankguthaben auf den Treuhandkonten (sog. Escrow-Accounts) gefehlt. Der Klageentwurf leitet die Unrichtigkeit der Bestätigungsvermerke ...