StVG § 25; BKatV § 4 Abs. 1 Nr. 3
Leitsatz
1. Die Erfüllung des Tatbestands des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BKatV, Nr. 132.3 BKat indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, weshalb es regelmäßig eines Fahrverbots bedarf; ein Ausnahmefall ist nur dann gegeben, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls atypischerweise ein Absehen von der Regelwirkung rechtfertigt ist (Anschluss an BGH BGHSt 38, 125 = NZV 1992, 117; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 11.3.2020 – 1 Ss-OWi 72/20).
2. Von einem die Regelwirkung durchbrechenden atypischen Einzelfall ist auszugehen, wenn entweder der Erfolgsunwert erheblich vermindert ist oder nur ein Verstoß von minimalem Handlungsunwert vorliegt.
3. Zu der Frage der erheblichen Verminderung des Erfolgsunwerts und eines minimalen Handlungsunwerts aufgrund eines Augenblicksversagens und des "Mitzieheffekts".
OLG Frankfurt, Beschl. v. 31.1.2022 – 3 Ss-OWi 41/22
Sachverhalt
Gegen den Betroffenen erging wegen Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage (Rotphase länger als eine Sekunde) eine Geldbuße in Höhe von 200 EUR und ein Fahrverbot von einem Monat. Das AG verurteilt identisch. Nach den Feststellungen des AG befuhr der Betroffene mit einem Omnibus öffentliche Straßen. Als er auf die Querstraße zufuhr, schaltete die Lichtzeichenanlage auf rotes Licht und der Betroffene hielt vor der Lichtzeichenanlage, wobei etliche Fahrzeuge vor ihm standen. Nach einer kurzen, unbestimmten Zeit schaltete die Lichtzeichenanlage 3 Sekunden lag auf gelbes Licht, bevor Rotlicht erschien. Obwohl die Lichtzeichenanlage bereit mindestens 1,1 Sekunden Rotlicht zeigte, überfuhr der Betroffene mit seinem Fahrzeug die Haltelinie und durchfuhr die Kreuzung.
Das OLG Frankfurt hat die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des AG als offensichtlich unbegründet verworfen.
2 Aus den Gründen:
(…) II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Var. 4 OWiG statthaft sowie gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, §§ 341, 344 StPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Die nicht innerhalb der Begründungsfrist des § 345 StPO eingegangene Begründungsschrift ist als zulässige Erläuterung der Sachrüge anzusehen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 345 Rn 10 a.E.).
Das Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung indes stand. Es lässt durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen im Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch nicht erkennen. Insbesondere hat das AG auf der Rechtsfolgenseite mit tragfähiger Begründung ein Fahrverbot gem. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG verhängt.
1. Für die festgestellte Ordnungswidrigkeit ist eine Regelgeldbuße von 200 EUR sowie ein Regelfahrverbot von einem Monat nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 BKatV, Nr. 132.3 BKat vorgesehen. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf. Dadurch ist die zur Verhängung des Fahrverbots führende grobe Pflichtverletzung in objektiver und subjektiver Hinsicht indiziert.
Entgegen der Ansicht des Rechtsbeschwerdeführers muss daher nicht gesondert geprüft werde, ob ein grober Verstoß im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 StVG vorliegt, sondern allein, ob aufgrund der Umstände des Einzelfalles ein Ausnahmefall gegeben ist, der atypischerweise ein Absehen von der Regelwirkung rechtfertigt (vgl. BGHSt 38, 125, 130 ff. = NZV 1992, 117, 119; OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.3.2020 – 1 Ss-OWi 72/20, BeckRS 2020, 41395 Tz. 7).
2. Zutreffend ist das AG nicht von einem solchen Ausnahmefall ausgegangen.
Die Indizwirkung für einen groben Verstoß im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG ist durch die im Urteil geschilderten Umstände nicht widerlegt. Das AG hat dafür eine auf Tatsachen gestützte Begründung gegeben und die dem Urteil zugrunde gelegten Ausführungen sind nachvollziehbar und schlüssig (vgl. BGHSt 38, 125, 130 ff. = NZV 1992, 117, 120; OLG Frankfurt a.a.O., Tz. 8).
a) Bei Vorliegen eines Regelfalles kann nach der Rechtsprechung nur in solchen Fällen von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden, in denen der Sachverhalt erhebliche Besonderheiten zugunsten des Betroffenen gegenüber dem Normalfall aufweist (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.8.2010 – 2 Ss-OWi 592/10, BeckRS 2010, 26343). Dafür ist entweder erforderlich, dass schon keinerlei Gefährdung weitere Verkehrsteilnehmer besteht, weil auch eine nur abstrakte Gefährdung völlig ausgeschlossen ist, sodass der Erfolgsunwert erheblich vermindert ist. Somit lässt eine auch nur abstrakte Gefährdung den indizierten Erfolgsunwert eines Rotlichtverstoßes noch nicht entfallen (vgl. BayObLG, Beschl. v. 27.7.2004 – 1 Ob-OWi 310/04, NZV 2005, 433; KG, Beschl. v. 14.4.2020 – 3 Ws (B) 46/20 – 122 Ss 18/20, BeckRS 2020, 6531 Tz 21 f.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.3.2020 – 1 Ss-OWi 72/20, BeckRS 2020, 41395 Tz. 11 f.). Oder es liegt ein Verstoß von denkbar g...