Die Entscheidung des OLG Brandenburg, der im Ergebnis zuzustimmen ist, gibt Anlass, zu den Grundsätzen der Erstattungsfähigkeit der Kosten mehrerer Rechtsanwälte im Kfz-Haftpflichtprozess Stellung zu nehmen.
Gesetzliche Regelung
Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterlegene Partei – das war hier der Kläger – die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner – das war hier der Beklagte – erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei grundsätzlich erstattungsfähig. Von diesem Grundsatz macht § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO eine Ausnahme für die Kosten mehrerer Rechtsanwälte. Diese sind nur insoweit zu erstatten als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste.
Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen
Vorliegend hatte der Rechtspfleger des LG Frankfurt (Oder) in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.3.2021 die Kosten des Beklagten festgesetzt, die durch die Tätigkeit des nachfolgend von der Kfz-Haftpflichtversicherung beauftragten Prozessbevollmächtigten entstanden sind. Das war hier eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, die aller Wahrscheinlichkeit nach für das Einreichen des Klageabweisungsantrags, jedenfalls für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins entstanden ist (s. Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG) sowie eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG für die Vertretung im Verhandlungstermin zuzüglich der Auslagen nach Teil 7 VV RVG wie der Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV RVG und – auf den Gesamtbetrag – die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG. Damit waren die grundsätzlich zu erstattenden Kosten eines Prozessbevollmächtigten erschöpft. Die vom Beklagten für die Tätigkeit seines vormaligen, von ihm selbst beauftragten Prozessbevollmächtigten, angefallenen Kosten haben damit die Kosten eines Rechtsanwalts überstiegen. Diesem Rechtsanwalt ist durch die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft zumindest die 0,8 Verfahrensgebühr nach Nrn. 3100, 3101 VV RVG angefallen. Sollte dieser Schriftsatz auch Sachvortrag oder den Klageabweisungsantrag enthalten haben, wäre dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten sogar – wie dem von der Versicherung bestellten Anwalt – eine 1,3 Verfahrensgebühr entstanden (s. Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG). Hinzu kommen auch bei diesem Anwalt die gesetzlichen Auslagen nach Teil 7 VV RVG. Die in der Person des vom Beklagten selbst beauftragten Anwalts erwachsenen Anwaltskosten übersteigen zusammen mit den Kosten des Versicherungsanwalts die Kosten eines Rechtsanwalts.
Anwaltswechsel nicht notwendig
Die die Kosten eines Anwalts übersteigenden Mehrkosten sind nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nur dann notwendig, wenn auf Beklagtenseite in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Dies hat hier das OLG Brandenburg unter Hinweis auf die seit längerem ganz herrschenden Rechtsprechung zutreffend verneint. Die Begründung erscheint allerdings "schief". Nach Auffassung des OLG Brandenburg war hier der Anwaltswechsel nicht notwendig. Soweit sich dem mitgeteilten Sachverhalt entnehmen lässt, hatte jedoch der Beklagte zuerst seinen eigenen Prozessbevollmächtigten bestellt, während die Kfz-Haftpflichtversicherung erst danach von ihrer Prozessführungsbefugnis Gebrauch gemacht und einen eigenen Rechtsanwalt für den Beklagten beauftragt hat. Wenn der Anwaltswechsel nicht notwendig gewesen ist, hätten die Kosten des Versicherungsanwalts nicht festgesetzt werden dürfen, soweit die Kosten eines Anwalts überstiegen worden sind.
Anderer erstattungsrechtlicher Ansatz
Diesem argumentatorischen Problem entgeht man, wenn man für die Frage der Notwendigkeit der Kosten eines zweiten Anwalts auf die Vorschrift des § 91 Abs. 1 ZPO zurückgreift, wie es der BGH AGS 2004, 188 = RVGreport 2004, 188 (Hansens) = zfs 2004, 379 getan hat. Nach Auffassung des BGH ist nämlich die Bestellung eines eigenen Anwalts bei Geltendmachung des Direktanspruchs gegen den Kfz-Haftlichtversicherer und des Schadensersatzanspruchs gegen den Halter oder Fahrer des versicherten Fahrzeugs in einem gemeinsamen Rechtsstreit nicht notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO. Die hierdurch angefallenen Mehrkosten sind deshalb nicht erstattungsfähig, weil kein besonderer sachlicher Grund für die Einschaltung eines eigenen Anwalts besteht. Insoweit hat der BGH auf das Innenverhältnis zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer verwiesen, wonach der Versicherungsnehmer im Falle eines Rechtsstreits dessen Führung dem Versicherer zu überlassen und dem Rechtsanwalt, den der Versicherer bestellt, Vollmacht zu erteilen hat. Hieraus ist zu folgern, dass für den Versicherungsnehmer grundsätzlich kein Anlass besteht, einen eigenen Prozessbevollmächtigten zu bestellen. Folglich kommt es auch nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer den eigenen Rechtsanwalt zeitlich früher bestellt ...