Die meisten Amtsgerichte verweisen bei einem bestimmten Prozentsatz an Geschwindigkeitsübertretungen auf die ständige Rechtsprechung der Bußgeldsenate ihres OLG-Bezirks. Das OLG Rostock nimmt bereits eine Überschreitung von mehr als 40 % als Indiz für eine vorsätzliche Begehung, das OLG Schleswig nimmt die Grenze bei einer Überschreitung von mehr als 50 % an. Das KG Berlin folgt der 40 %-Schwelle des OLG Rostock mit der folgenden Begründung: "Insoweit kann nah dem gegenwärtigen Wissensstand auf den Erfahrungsgrundsatz zurückgegriffen werden, dass jedenfalls bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 40 % von Vorsatz auszugehen ist, sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Wertung veranlassen (st. Rspr. des Senats, vgl. nur KG VRS 100,471). Vorliegend belief sich die Geschwindigkeitsüberschreitung auf 106,66 % … Besondere Umstände, die trotzdem der Annahme vorsätzlicher Begehungsweise entgegenstehen könnten, sind den allein maßgeblichen Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Dass die am Tatort zulässige Höchstgeschwindigkeit 30 km/h betrug, ist kein solcher besonderer Umstand …".
Auch in der Literatur findet sich der Ansatz, bei massiven Geschwindigkeitsverstößen der außerorts geltenden Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h von Vorsatz auszugehen. Der Grad der Überschreitung könne dabei "ein starkes Indiz für ein vorsätzliches Handeln darstellen." Bei "massiven Geschwindigkeitsüberschreitungen der außerorts geltenden Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h" soll die Annahme von Vorsatz ohne weiteres naheliegen. Bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit "um annähernd 50 %" könne aufgrund der Fahrgeräusche und eine Geschwindigkeitsüberschreitung "nicht verborgen geblieben sein", so dass "bei Hinzutreten weiterer Umstände – die vom Gericht konkret festgestellt werden müssen – von einer vorsätzlichen Tatbegehung ausgegangen werden kann."
Krumm nennt Beispielsfälle der gerichtlichen Praxis nach denen Geschwindigkeitsüberschreitungen von 40 bis 116 % der Höchstgeschwindigkeit als erheblich genug angesehen wurden um ohne das Hinzutreten weiterer Indizien für die Annahme von Vorsatz als ausreichend gewertet wurden.
Allerdings geht der BGH bei erheblichen Geschwindigkeitsübertretungen nicht grundsätzlich oder zumindest nicht zwingend von Vorsatz aus: In einer grundlegenden Entscheidung vom 11.9.1997, bei der es um ein Fahrverbot ging, hat der BGH das Folgende ausgeführt: "Dem Fahrzeugführer kann das für ein Fahrverbot erforderliche grob pflichtwidrige Verhalten nicht vorgeworfen werden, wenn der Grund für die von ihm begangene erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung darin liegt, dass er das die Höchstgeschwindigkeit begrenzende Zeichen nicht wahrgenommen hat, es sei denn, gerade diese Fehlleistung beruhe ihrerseits auf grober Nachlässigkeit." Den Begriff der "groben Nachlässigkeit" wird man hier mit "grober Fahrlässigkeit" gleichsetzen können. Wenn eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung bei Nichtbemerken der Beschilderung nicht zwingend zur Annahme einer groben Fahrlässigkeit führen muss, kann das noch weniger für eine Annahme von Vorsatz gelten.
Fall 14: Bei einer Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um 23 km/h bei zulässigen von 50 km/h außerorts, teilte das Gericht mit, wegen der Überschreitung von 46 % einen Vorsatzhinweis zu erwägen. Die Verteidigung wies darauf hin, dass der Vorwurf nur knapp im Eintragungsbereich liege und eine rein prozentuale Betrachtung diesen Fällen völlig unüblich sei. Das Gericht und unterlies daraufhin den Vorsatzhinweis.
Fall 15: Ein anderes Gericht erwog bei einer Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h außerorts um 64 km/h, also einer vorgeworfenen Geschwindigkeit 134 km/h und somit einer prozentualen Überschreitung von mehr als 90 % ebenfalls einen Vorsatzhinweis. Nach der Einlassung der Verteidigung, dass die Beschilderung nur einseitig war und nicht wiederholt wurde, sah das Gericht trotz der erheblichen Überschreitung von einem Vorsatzhinweis ab.
Fall 16: Wegen einer Überschreitung von 62 km/h auf einer BAB mit 120 km/h zulässiger Höchstgeschwindigkeit, erteilt das Gericht in der Verhandlung Vorsatzhinweis aufgrund der hohen prozentualen Übertretung (über 50 %). Nach der Einlassung der Verteidigung, dass das Verkehrszeichen übersehen und nicht wiederholt wurde, nimmt das Gericht den Vorsatzhinweis zurück und verurteilt den noch studierenden Betroffenen wegen fahrlässiger Begehung zu einer Geldbuße von 440 EUR und zwei Monaten, somit zur Regelsanktion des BKat mit der Begründung, dass einerseits wegen der fehlenden Wiederholung des Verkehrszeichens zwar der Vorsatzvorwurf nicht aufrechterhalten würde, aber andererseits wegen der hohen Übertretung ein Absehen vom Fahrverbot oder eine Reduzierung nicht in Betracht käme.
Fall 17: Ein benachbartes Amtsgericht, wie im vorgenannten Fall auch im Bezirk des OLG Schleswig gelegen, orientiert sich beim Vorsatzindiz nicht an der 50 %-Überschreitungsschwelle des OLG...