Zitat
… II. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschl. des VG Hannover v. 5.9.2022 hat keinen Erfolg. …
Die Darlegungen der Antragstellerin führen … nicht zu einem Erfolg der Beschwerde. Denn sie kann sich hier nicht mit Erfolg auf eine Verletzung ihres Rechtes auf ein faires Verfahren bei der Straßenverkehrsbehörde oder im ersten Rechtszug berufen. Sie legt nämlich nicht dar, dass sie sich nicht nur während, sondern nochmals nach der Einstellung des Bußgeldverfahrens – und damit nach Wegfall eines (etwaigen) Versagungsgrundes gemäß § 49b Nr. 3 OWiG i.V.m. § 479 Abs. 1 StPO (vgl. Bücherl, in: Graf [Hrsg.], BeckOK OWiG, 36. Edition [Stand: 1.10.2022], § 49b Rn 37) – erfolglos gemäß § 49b OWiG i.V.m. § 475 Abs. 2 und 3 StPO (vgl. Gassner, in: Gassner/Seith, OWiG, 2. Aufl. 2020, § 49b Rn 9 ff.; siehe auch BVerwG, Beschl. v. 18.12.2019 – BVerwG 10 B 14.19 –, WM 2020, 504 ff., hier zitiert nach juris, Rn 15) und § 49b Nr. 4 OWiG i.V.m. § 479 Abs. 4 S. 2 Alt. 2 StPO an die nach § 49b OWiG i.V.m. § 480 S. 1 StPO zuständige Bußgeldstelle des Antragsgegners gewandt habe, um von dieser unter Hinweis auf ein sich aus dem Verwaltungsverfahren zur Anordnung der Fahrtenbuchführungspflicht ergebendes berechtigtes Interesse Zugang zu den ihres Erachtens benötigten Objekten der Einnahme des Augenscheins zu erhalten. Sie legt erst recht nicht dar, dass sie – was indessen notfalls geboten gewesen wäre – gegen eine Versagung des begehrten Zugangs durch die Bußgeldstelle des Antragsgegners auch den in § 49b Nr. 5 OWiG i.V.m. § 480 Abs. 3 StPO vorgesehenen Rechtsbehelf (vgl. van Endern, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV, Bd. 4, 2. Aufl., § 49b OWiG [Stand: 1.6.2022] Rn 4) ergriffen und das nach § 68 OWiG zuständige Amtsgericht dagegen angerufen habe.
Es ist aber weder ersichtlich, dass der Antragstellerin ein solches Vorgehen unzumutbar gewesen wäre, noch steht fest, dass die Bußgeldstelle des Antragsgegners oder notfalls das AG ihr Anliegen abgelehnt hätten, zumal auch Zeugen den Regelungen des § 475 StPO (i.V.m. § 49b OWiG) unterfallen (vgl. Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl. 2023, § 475, Rn 1a, m.w.N.).
Einen entsprechenden Versuch hätte die Antragstellerin selbst dann unternehmen müssen, wenn es fehlerhaft gewesen sein sollte, dass die Straßenverkehrsbehörde des Antragsgegners das ihr gegenüber nochmals geäußerte Verlangen der Antragstellerin nach Zugang zu den genannten Objekten nicht zuständigkeitshalber an die Bußgeldstelle des Antragsgegners weitergab. Die Antragstellerin hat nämlich – obwohl anwaltlich vertreten – daraufhin nicht versucht, eine solche Abgabe zu erreichen.
Dementsprechend ist davon auszugehen, dass der Antragstellerin der von ihr begehrte Informationszugang zwar rechtlich eröffnet war, sie es aber – obwohl anwaltlich vertreten – unterlassen hat, ihn auf die gesetzlich vorgesehene Weise anzustreben und durchzusetzen. Das führt nicht zu einer Ausweitung der Amtsermittlungspflichten der für die Fahrtenbuchanordnung zuständigen Straßenverkehrsbehörde oder des VG.
Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der von der Antragstellerin angeführten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Denn nach dieser ist gerade zwischen dem Begehren nach Informationszugang und einem Beweis(ermittlungs)antrag zu differenzieren (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18 –, NJW 2021, 455 ff., hier zitiert nach juris, Rn 64 f. und 67). Entscheidend ist in der vorliegenden Fallgestaltung lediglich, ob ein Anspruch des Fahrzeughalters, nur aufgrund ordnungsgemäß gewonnener Messdaten wegen einer in Ansehung des Täters nicht aufklärbaren Verkehrsordnungswidrigkeit mit einer Fahrtenbuchführungspflicht belegt zu werden, gewahrt bleibt. Das ist der Fall, wenn dem Halter – hier der Antragstellerin – die Möglichkeit eröffnet ist, das VG im Rahmen seiner Einlassung auf Zweifel aufmerksam zu machen und (im Verfahren zur Hauptsache) einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen (vgl. BVerfG, a.a.O., juris, Rn 45). Diese Möglichkeit ist dem Halter allerdings weder zwingend als Bestandteil des Verwaltungsverfahrens zur Anordnung der Fahrtenbuchführungspflicht noch als Teil des gerichtlichen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Sofortvollzug einer Fahrtenbuchanordnung durch die dort jeweils verfahrensführenden Behörden bzw. Gerichte zu verschaffen. Der Halter kann vielmehr darauf verwiesen werden, sich mit seinem Begehren nach Informationszugang beizeiten an die im Bußgeldverfahren aktenführende Verfolgungsbehörde und sodann ggf. an die zur Überprüfung von zugangsverweigernden Entscheidungen dieser Behörde zuständige ordentliche Gerichtsbarkeit zu wenden. Allein der Umstand, dass der Verwaltungsträger der Verfolgungsbehörde (Bußgeldstelle) hier (zufällig) mit demjenigen zusammenfällt, der auch die Straßenverkehrsbehörde trägt, die für die Anordnung von Fahrtenbuchführungspflichten zuständig ist, ändert daran nichts. Es führt insbesondere nicht dazu, dass nun anstelle der ordentlichen Gerichtsbarkeit primär die Verw...