I. Die Parteien streiten um die Höhe des Hinterbliebenengelds, das der Klägerin aufgrund des Todes ihrer Mutter bei einem Verkehrsunfall zusteht.

Das Landgericht Augsburg (Urt. v. 5.1.2024 – 112 O 495/22) hat die Beklagte zu 2) (im Folgenden: die Beklagte) zur Zahlung von 16.364,41 EUR nebst Zinsen verurteilt. In diesem Betrag ist neben Beerdigungskosten in Höhe von 4.364,41 EUR, die in der Berufung nicht mehr streitig sind, ein Hinterbliebenengeld von 12.000,00 EUR enthalten, dessen Höhe die Beklagte mit der Berufung beanstandet. Sie ist der Ansicht, in Hinblick auf das Alter der Verstorbenen (77 Jahre) und verschiedene weitere Umstände sowie einem Mitverschulden der Verstorbenen sei ein Hinterbliebenengeld von maximal 5.000,00 EUR angemessen, und beantragt folglich eine Reduzierung des zuerkannten Betrages auf 9.364,41 EUR. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Bei der Bemessung der Höhe der Hinterbliebenenentschädigung durch den nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichter sind die konkrete seelische Beeinträchtigung des betroffenen Hinterbliebenen zu bewerten und hierbei die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Maßgebend für die Höhe sind im Wesentlichen die Intensität und Dauer des erlittenen seelischen Leids und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei lassen sich aus der Art des Näheverhältnisses, der Bedeutung des Verstorbenen für den Anspruchsteller und der Qualität der tatsächlich gelebten Beziehung indizielle Rückschlüsse auf die Intensität des seelischen Leids ableiten. Der in dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD genannte Betrag in Höhe von 10.000 EUR (BT-Drs. 18/11397, 11) bietet eine Orientierungshilfe für die Bemessung, von der im Einzelfall sowohl nach unten als auch nach oben abgewichen werden kann. Er stellt keine Obergrenze dar (BGH Urt. v. 6.12.2022 – VI ZR 73/21, BGHZ 235, 254 = NJW 2023, 1438).

Nach dieser Maßgabe und nach Auffassung des Senats ist das vom Landgericht zuerkannte Hinterbliebenengeld angemessen.

1. a) Das Landgericht hat aufgrund der Anhörung der Klägerin, deren Angaben es als glaubhaft bewertet hat, ein besonderes persönliches Näheverhältnis zwischen ihr und ihrer Mutter festgestellt. Die Klägerin, die im Westen von A. nur wenige Kilometer von der Wohnung der Verstorbenen in N. entfernt lebt, hat bekundet, dass diese vor dem Unfall jeden Sonntag bei ihr zum Essen gewesen sei. Sie sei auch unter der Woche mit dem Rad vorbeigekommen. Sie habe sich in der damaligen Corona-Zeit – der Unfall ereignete sich am 1.12.2020 – jeden Montag freigenommen, um Zeit mit ihrer Mutter verbringen zu können. Das Näheverhältnis zeigt sich auch darin, dass die Verstorbene die inzwischen 23 und 17 Jahre alten Kinder der Klägerin betreut hatte, als diese noch im Kindergartenalter waren.

Das Landgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin durch den Unfalltod der Mutter seelisches Leid erlitten hat. Sie hatte geplant, in Andenken an den 2016 verstorbenen Vater am 4. Dezember mit ihrer Mutter zusammen den Barbaratag zu feiern. Stattdessen wurde sie mit dem Unfall und mit dem Tod der Mutter am Morgen des 3. Dezember konfrontiert. Das Landgericht hat als glaubhaft bewertet, dass die Mutter der Klägerin sehr fehle; seither habe sie keine Nacht durchgeschlafen. Sie habe zwei Monate gebraucht, um nach dem Tod der Mutter deren Wohnung überhaupt betreten zu können, sowie sechs Monate, um diese zu räumen.

b) Das mit 77 Jahren hohe Alter der Verstorbenen allein stellt keinen Grund zur Reduzierung des Hinterbliebenengelds dar. Nach den vom Landgericht als glaubhaft bewerteten Angaben der Klägerin war die Verstorbene "fit", sie sei jeden Tag 10 km Fahrrad gefahren und bei Regenwetter die Strecke zur Wohnung der Klägerin (3 km) auch zu Fuß gelaufen. Sie habe geplant, nach dem Ende der Corona-Beschränkungen bei der Volkshochschule Fremdsprachen zu lernen. Damit gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass auch ohne den Unfall mit einem baldigen Ableben zu rechnen gewesen wäre.

c) Dass kein gemeinsamer Wohnsitz zwischen der Klägerin und ihrer Mutter bestand, begründet ebenfalls keine niedrige Bemessung des Hinterbliebenengelds. Die Verstorbene wohnte noch selbstständig in der Wohnung, in der sie zusammen mit ihrem 2016 verstorbenen Ehemann gelebt hatte. Angesichts der geringen Entfernung von ca. 3 km, die die Verstorbene bis zum Unfall mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt hat, bestand die Möglichkeit einer engen Mutter-Tochter-Beziehung ohne weiteres.

d) Der kurze Zeitabstand vom Unfall am Abend des 1.12.2020 und dem Tod am Morgen des 3.12.2020 ist f...

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