StPO § 267; StVO § 37 Abs. 2
Leitsatz
Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß.
(Leitsatz des Einsenders)
OLG Hamm, Beschl. v. 7.2.2008 – 2 Ss OWi 423/07
Sachverhalt
Das AG hat den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit – Verstoß gegen § 37 Abs. 2 StVO – zu einer Geldbuße von 125 EUR verurteilt und – unter Anwendung von § 25 Abs. 2a StVG – ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
Das AG hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:
"Am 20.8.06 gegen 2.25 Uhr befuhr der Betroffene in R die Rechtsabbiegerspur des Kwalles in Fahrtrichtung HStr. mit dem Pkw. Die Lichtzeichenanlage, die sich auf dem Kwall befindet, zeigte bereits seit länger als 1 Sekunde für die Fahrtrichtung geradeaus Rotlicht an. Der Betroffene bog nicht in die HStr. nach rechts ein, sondern fuhr, obwohl die Ampel für Geradeausfahrer Rot anzeigte, geradeaus in Richtung Gaststätte P."
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hebt das OLG das Urteil des AG nebst den zugrunde liegenden Feststellungen auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurück.
Aus den Gründen
“ … III. … . Dahinstehen kann, ob die vom Betroffenen erhobene formelle Rüge ausreichend i.S.d. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO begründet ist oder ob der Betroffene den Beweisantrag, dessen Nichtbescheidung er rügt, in der Rechtsbeschwerdebegründung hätte zitieren müssen. Jedenfalls hat die Rechtsbeschwerde mit der erhobenen allgemeinen Sachrüge Erfolg. Die vom AG zu dem dem Betroffenen zur Last gelegten qualifizierten Rotlichtverstoß getroffenen Feststellungen sind nämlich lückenhaft (§ 267 StPO).
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Aufhebungsantrag insoweit wie folgt begründet:
"Der von dem AG angenommene qualifizierte Rotlichtverstoß erfordert die Feststellung, dass der Fahrzeugführer das Rotlicht nach einer Rotlichtphase von mehr als einer Sekunde missachtet hat, wobei nach gefestigter obergerichtlicher Rspr. der Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie und, wenn diese nicht vorhanden ist, das Einfahren in den von der Lichtzeichenanlage gesicherten Kreuzungsbereich ausschlaggebend ist (zu vgl. OLG Hamm, Senatsbeschl. v. 23.10.2003, – 2 SsOWi 649/03; Beschl. v. 24.9.2007 – 3 SsOWi 620/07 – m.w.N.). Um dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Überprüfung des Verstoßes zu ermöglichen, hat das Tatgericht nähere Feststellungen zu den örtlichen Verhältnissen und zum Ablauf des Rotlichtverstoßes zu treffen. Insbesondere, wenn die Feststellungen zum Zeitablauf nicht auf einer technischen Messung mittels eines geeichten Messgerätes beruhen, sind wegen der damit verbundenen Fehlerquellen klare und erschöpfende Feststellungen zum Zeitablauf sowie zur Entfernung des Fahrzeugs zum Einmündungsbereich, zur Lichtzeichenanlage und zu einer ggf. vorhandenen Haltelinie zu treffen (zu vgl. OLG Hamm, a.a.O.)."
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es enthält weder Angaben dazu, ob eine Haltelinie vorhanden war noch zu der Frage, in welchem Abstand sich der Betroffene zu einer Haltelinie oder der Lichtzeichenanlage befunden haben soll, als diese Rotlicht zeigte, oder zu der durch den Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit. Des Weiteren wird nicht mitgeteilt, ob es sich um eine gezielte oder eine zufällige Überwachung der Lichtzeichenanlage gehandelt hat. Die Feststellungen zu der Dauer der Rotlichtphase beruhen ausschließlich auf den Schätzungen der Zeugen S. und M. Zwar vermögen grundsätzlich auch Schätzungen von Zeugen den Nachweis eines qualifizierten Rotlichtverstoßes zu erbringen; dies gilt jedoch im Falle einer zufälligen Überwachung der Lichtzeichenanlage nur, wenn die Schätzung durch das Hinzutreten weiterer Umstände erhärtet wird (zu vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Diesbezüglich hat das AG indes keine Feststellungen getroffen.
Das angefochtene Urteil unterliegt daher der Aufhebung. Auf die erhobene Aufklärungsrüge kommt es somit nicht an.
Der Senat kann auch bereits jetzt über die Rechtsbeschwerde entscheiden. Zwar ist die Protokollergänzung nicht durch den Protokollführer genehmigt und das Urteil nicht nochmals zugestellt worden; da das Urteil unabhängig davon jedoch der Aufhebung unterliegt, erscheint es entbehrlich, auf eine Genehmigung und eine erneute Zustellung des Urteils an den Betroffenen hinzuwirken (vgl. hierzu auch OLG Hamm, Beschl. v. 15.1.2001 – 3 Ss 1223/00 –).“
Diesen Ausführungen tritt der Senat nach eigener Sachprüfung bei. Das angefochtene Urteil war damit aufzuheben. Der Senat hat davon abgesehen, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Sache an einen anderen Amtsrichter des AG zurückzuverweisen. Er geht davon aus, dass, nachdem nunmehr mehrfach Urteile, in denen die Betroffenen wegen eines Rotlichtverstoßes verurteilt worden sind, wegen nicht ausreichender Feststellungen aufgehoben worden sind, nun der Tatrichter sich mit den insoweit von der obergerichtlichen Rspr. aufgestellten Vorgaben auseinandersetzen und diese beachten wird. … .“
Mitgeteilt von RiOLG Detlef Burhof...