VVG a.F. § 61

Leitsatz

1. Wer eine Markise bei in den Medien gemeldetem Sturm nicht einzieht handelt grob fahrlässig.

2. Ein Anspruch auf Rettungskostenersatz kann nicht mit der Begründung geltend gemacht werden, die durch vom Sturm gelöste Dachziegel getroffene Markise hätte Schäden am Terrassenboden verhindert.

LG Kleve, Urt. v. 23.11.2007 – 5 S 119/07

Sachverhalt

Der Kläger verlangt eine Entschädigung aus einer Wohngebäudeversicherung nach einem Sturmschaden. Im Verlauf der Schadenregulierung reichte er über den Versicherungsvertreter K eine Rechnung einer Fa. B über 20.000 EUR ein, der keine Leistung zu Grunde lag. Er sah sich hierzu – nach seiner Behauptung auf Vorschlag des K – veranlasst, weil K ihm erklärt hatte, eine Regulierung sei nur gegen Rechnungsvorlage möglich.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Hausratversicherung in Anspruch.

Am Haus des Klägers befanden sich zwei Markisen. Am 18.1.2007 zog der Sturm "Kyrill" über K hinweg. Der Kläger zog während des Sturms die Markisen nicht ein.

Der Kläger hat behauptet, während des Sturms seien Dachziegel auf die beiden ausgefahrenen Markisen herabgefallen.

Er ist der Ansicht gewesen, es habe ihm nicht oblegen, die Markisen vor dem Sturm einzuziehen. Hierzu behauptet er, die Markisen seien so konstruiert, dass sie auch bei Regen ausgefahren bleiben könnten. Unterhalb der Markisen habe sich ein aus Glasbausteinen bestehender Terrassenboden befunden. Wenn die Markisen nicht ausgefahren gewesen wären, wären die Dachziegel auf dem Terrassenboden aufgeschlagen und hätten dort einen Schaden verursacht, der noch größer gewesen wäre als der Schaden an den Markisen.

Aus den Gründen

“ … Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 1.772,70 EUR aus § 1 Abs. 1 S. 1 VVG gegen die Beklagte. Die Haftung der Beklagten ist gem. § 61 VVG ausgeschlossen. Der Kläger hat den Schaden an den Markisen durch sein grobfahrlässiges Verhalten herbeigeführt.

Der Kläger hat zwar nicht durch ein aktives Tun den Versicherungsfall herbeigeführt. Der Vorwurf besteht vielmehr darin, es bei dem aufziehenden Sturm unterlassen zu haben, die Markisen einzuziehen. Auch ein solches Unterlassen führt jedoch zu einem i.S.d. § 61 VVG herbeigeführten Versicherungsfall, wenn der Versicherungsnehmer mögliche und zumutbare gefahrmindernde oder -verhütende Maßnahmen unterlässt. Auf eine besondere “Garantenstellung’ oder die Verletzung einer gesetzlichen oder versicherungsvertraglichen Bestimmung kommt es dabei nicht an. Notwendig ist, dass der Versicherungsnehmer das zum Versicherungsfall führende Geschehen gekannt und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen nicht ergriffen hat (vgl. BGH VersR 1986, 962 [963]; VersR 1989, 582 [583]). Dabei ist die Kenntnis von Umständen ausreichend, aus denen sich ergibt, dass der Eintritt des Versicherungsfalls in den Bereich der praktisch unmittelbar in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten gerückt ist (BGH VersR 1986, 962 [963]). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger hätte durch eine einfache und ihm ohne weiteres zumutbare Maßnahme den Schaden an den Markisen vermeiden können. Denn er hätte die Markisen vor dem herannahenden Sturm einziehen können. Dies wäre mit einem geringem Aufwand verbunden und ihm ohne weiteres zuzumuten gewesen. Dagegen spricht nicht, dass er durch die Einziehung der Markisen eine Gefahr für den Terrassenboden geschaffen hätte. Indem der Kläger die Markisen quasi als Auffangmittel für herabfallende Gegenstände benutzt hat, hat er diese Einrichtungen zweckwidrig verwendet. Markisen dienen als Sonnenschutz und allenfalls als Schutz vor Regen. Keinesfalls dürfen sie als Fänger für herabfallende Dachziegel verwendet werden. Der Hersteller der Markisen hat auch nicht versprochen, dass die Markisen dafür geeignet sein könnten. Es war auch unmittelbar in Betracht zu ziehen, dass die Markisen einen Schaden erleiden könnten, wenn sie bei dem Sturm ausgefahren bleiben. Es war nahe liegend, dass im Verlaufe des Sturms Dachziegel oder auch andere Gegenstände auf die Markise fallen könnten. Es drängte sich auf, dass die Markise solchen Einwirkungen nicht würde standhalten können. Dagegen spricht nicht, dass der Hersteller der Markisen versprach, dass die Markisen auch bei Regen ausgefahren bleiben können. Die Gefahr für die Markisen drohte nicht durch die zu erwartenden Niederschläge, sondern durch andere heftigere Einwirkungen.

Der Kläger hat auch grobfahrlässig gehandelt. Unter grober Fahrlässigkeit ist ein Handeln zu verstehen, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maß verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. … Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass er die Warnungen in den Medien vor dem aufziehenden Sturm “Kyrill’ zur Kenntnis genommen hat. In dieser Situation hätte es jedem sofort eingeleuchtet, die Markisen vor den Einwirkungen des Sturmes zu schützen und diese einzuziehen. Darüber hinaus ist für eine grobe Fahrlässigkeit erforderlich, dass die im Verkeh...

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