a) Für Klagen, die aus dem Versicherungsverhältnis erhoben werden, stand – neben dem allgemeinen Gerichtsstand der juristischen Person (§ 17 ZPO), der sich nach dem Hauptsitz des Versicherers richtet – nach altem Recht der Gerichtsstand der Agentur (§ 48 VVG a.F.) zur Wahl; die Klage konnte also (auch) vor dem örtlich für die Niederlassung bzw. dem Wohnsitz des Agenten zuständigen Gericht erhoben werden. Das neue VVG hat diese Regelung abgelöst und durch § 215 VVG ersetzt. Nach dieser Regelung ist für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist es sogar ausschließlich zuständig.
Das neue VVG ist am 1.1.2008 in Kraft getreten. Gilt also § 215 VVG seither für alle ab diesem Zeitpunkt erhobenen Klagen uneingeschränkt oder ergibt sich aus den Übergangsvorschriften im EGVVG eine – und gegebenenfalls auf welche Fälle bezogene – Weiteranwendung des § 48 VVG a.F.?
Nach Art. 1 Abs. 1 EGVVG ist auf Versicherungsverhältnisse, die bis zum 1.1.2008 entstanden sind (Altverträge), bis zum 31.12.2008 das VVG a.F. anzuwenden, soweit in Abs. 2 der Vorschrift und den Artt. 2 bis 6 nichts anderes bestimmt ist. In unserem Zusammenhang interessiert insbesondere Abs. 2 des Art. 1 EGVVG, nachdem ist bei Altverträgen der Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eingetreten, gilt das VVG a.F. weiter – ist also über diesen Zeitpunkt hinaus anzuwenden. Auf unser Problem bezogen könnte das bedeuten: Erstreckt sich der Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 1 EGVVG auch auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit, dann wäre bei Altverträgen für noch im Jahr 2008 erhobene Klagen § 48 VVG a.F. maßgeblich geblieben. Ob das zutrifft, ist umstritten, indessen so nicht mehr von praktischer Bedeutung, weil der Anwendungszeitraum von Art. 1 Abs. 1 VVG bis zum 31.12.2008 begrenzt war. Nicht außer Acht gelassen werden darf aber die Verknüpfung mit Abs. 2 der Vorschrift, der bei Altverträgen die Weitergeltung des VVG a.F. über diese Schranke hinaus bestimmt, wenn bis zum 31.12.2008 ein Versicherungsfall eingetreten ist. Bleibt jedenfalls unter diesen Voraussetzungen § 48 VVG a.F. die für die örtliche Zuständigkeit weiterhin maßgebliche Vorschrift?
b) Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Blick auf Art. 1 Abs. 1 EGVVG in zwei Beschlüssen die Auffassung vertreten, dass dem Wortlaut dieser Vorschrift hinsichtlich der Weitergeltung des alten VVG keine Differenzierung im Hinblick auf die prozessuale Bestimmung des § 215 VVG zu entnehmen sei. Diese Vorschrift findet deshalb auf Streitverhältnisse mit Ursprung 2006/2007 keine Anwendung. Entgegenstehende rechtspolitische Überlegungen zur Zweckmäßigkeit von Inhalt von Übergangsvorschriften verböten sich im Hinblick auf die in der Übergangszeit erforderliche Rechtsklarheit. Ein Mehr an Begründung gibt es nicht.
Auch das Landgericht Berlin ist dieser Auffassung; § 215 VVG sei, wie sich aus Art. 1 Abs. 1 EGVVG ergebe, auf Altverträge nicht anwendbar, denn insoweit ordne die Vorschrift die Weitergeltung des alten Rechts bis zum 31.12.2008 an. Dabei gehe der Begriff Versicherungsverhältnis in Art. 1 Abs. 1 EGVVG nach dem Wortlaut über diesen hinaus und meine damit auch das Prozessverhältnis. Die für eine Übergangszeit von einem Jahr vorgesehene Bestimmung des Art. 1 Abs. 1 EGVVG passe nach deren Sinn und Zweck auch auf die Gerichtsstandsbestimmung.
Nach dieser Auffassung blieb es jedenfalls bei Altverträgen und Klageerhebung bis Ende 2008 beim Gerichtsstand nach § 48 VVG a.F. und in der Konsequenz dieser Auffassung bei der Weiteranwendung der Vorschrift über Ende 2008 hinaus, soweit bis dahin ein Versicherungsfall eingetreten ist. Das Landgericht Berlin spricht das auch offen an, wenn es – allerdings unter Hinweis auf ein insoweit noch fehlendes Beratungsergebnis – meint, nach Art. 1 Abs. 2 EGVVG bleibe schließlich das alte Recht maßgeblich, soweit bis zum 31.12.2008 ein Versicherungsfall eingetreten sei; das müsse auch hinsichtlich des Gerichtsstandes gelten. Das findet – auch mit dieser Folgewirkung – in Teilen der Literatur Zustimmung.
Die gegenteilige Auffassung vertritt das Oberlandesgericht Saarbrücken. Danach ist § 48 VVG a.F. seit dem 1.1.2008 schlechthin unanwendbar. Ab diesem Zeitpunkt beanspruche vielmehr die Gerichtsstandsregelung des § 215 VVG Geltung. Zur Begründung stellt das Oberlandesgericht zunächst auf den Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 VVG ab. Schon er lasse erkennen, dass das VVG a.F. bis zum 31.12.2008 "auf Versicherungsverhältnisse", also nur auf die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer, soweit der Versicherungsvertrag sie regele, anzuwenden sei. § 48 VVG a.F. sei aber keine das Versicherungsverhältnis betreffende Bestimmung, sie betreffe vielmehr das Prozessrechtsverhältnis zwischen einem klagenden Versicherungsnehmer und dem Versicherer. Dafür gelte ab...