I. Einleitung
Im Kaufvertragsrecht wird man nichts Verkehrsrechtliches im eigentlichen Sinn entdecken können. Gleichwohl wird in der Praxis der Rat des Verkehrsrechtlers gesucht, sobald es sich bei dem Kaufgegenstand um ein Kraftfahrzeug handelt. Tatsächlich sind zahlreiche Entscheidungen vor und nach der Schuldrechtsreform zu Verträgen ergangen, die Kraftfahrzeuge zum Gegenstand hatten. Ob diese Tatsache es rechtfertigt, dem Gebiet einen eigenen Namen zu verleihen, wie es die Fachanwaltsordnung tut, mag dahingestellt bleiben. Auf Grund der Vielzahl der Entscheidungen auf diesem Gebiet wird das "Verkehrsvertragsrecht" jedenfalls mit gutem Grund als Motor der Rechtsprechung im Bereich der Haftung des Verkäufers für Sachmängel bezeichnet. Dieser Beitrag befasst sich mit der Rechtsprechung des BGH zum Kaufvertragsrecht aus den Jahren 2008 und 2009 – soweit sie für den Verkehrsrechtler relevant ist.
II. Sachmangel gem. § 434 BGB
1. Unfallschäden "lt. Vorbesitzer"
Formularkaufverträge des Kfz-Gewerbes enthalten häufig die Angabe "Unfallschäden lt. Vorbesitzer". Der BGH hat entschieden, welche rechtliche Bedeutung solchen Klauseln zukommt. Die Klauseln über Unfallschäden, Laufleistung, Motorleistung etc. mit der Einschränkung "lt. Vorbesitzer" können nach dem Urteil des BGH von den Vertragsparteien weder positiv noch negativ im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung für sich in Anspruch genommen werden. Es wird hierdurch weder die Unfallfreiheit vereinbart noch wird vereinbart, dass das Fahrzeug möglicherweise doch nicht unfallfrei ist. Es handelt es sich um eine reine Wissenserklärung, die allerdings die Angaben des Vorbesitzers richtig und vollständig wiedergeben muss. Nach Auffassung des BGH kann jedenfalls der Käufer nicht erwarten, der Verkäufer wolle in vertragsmäßig bindender Weise die Haftung für die Richtigkeit der Angabe übernehmen und für die Folgen des Fehlens der betreffenden Eigenschaft einstehen. Zwar bleibe wegen der Einschränkung "lt. Vorbesitzer" mittelbar offen, ob das Fahrzeug entgegen den Angaben des Vorbesitzers vielleicht doch nicht unfallfrei ist. Daraus folge aber noch nicht eine entsprechende Vereinbarung. Insoweit könne offen bleiben, ob eine Vereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB eine vertragliche Abrede erfordert oder ob übereinstimmende Vorstellungen der Parteien im Vorfeld des Vertrages ausreichen.
2. Dieselpartikelfilter
Nach dem Stand der Technik bedürfen Dieselpartikelfilter von Zeit zu Zeit der Reinigung (Regeneration). Hierzu wird eine Abgastemperatur benötigt, die im reinen Kurzstreckenverkehr in der Regel nicht erreicht wird. Diese nur eingeschränkte Eignung des Kraftfahrzeugs im reinen Kurzstreckenverkehr begründete nach Auffassung eines Käufers einen Sachmangel i.S.v. § 434 BGB. Ein durchschnittlicher Verbraucher könne mangels entsprechender Hinweise seitens des Händlers davon ausgehen, dass ein Fahrzeug mit Dieselmotor genauso uneingeschränkt ohne technische Probleme im Kurzstreckenverkehr verwendbar sei wie eines mit Benzinmotor.
Der BGH schloss sich dieser Beurteilung des Käufers nicht an. Das Fahrzeug sei mangelfrei. Die Fahrzeuge aller Hersteller, die mit einem Dieselpartikelfilter ausgestattet sind, sind nach dem derzeitigen Stand der Technik für einen überwiegenden Kurzstreckeneinsatz nicht geeignet, weil für die Regeneration (Reinigung) des Partikelfilters eine erhöhte Abgastemperatur erforderlich ist, die im reinen Kurzstreckenbetrieb gewöhnlich nicht erreicht wird. Das Fahrzeug des Klägers weist somit in dieser Hinsicht eine Beschaffenheit auf, die bei allen Dieselfahrzeugen mit Partikelfilter ("Sachen der gleichen Art") üblich ist und die der Käufer eines derartigen Fahrzeugs "nach der Art der Sache" erwarten kann. Als übliche Beschaffenheit könne der Käufer in technischer Hinsicht grundsätzlich nicht mehr erwarten, als dass die Kaufsache dem jeweiligen Stand der Technik entspricht. Nach Auffassung des Senats eigne sich ein solches Fahrzeug auch für die "gewöhnliche Verwendung", sofern der Partikelfilter nach den Vorgaben der Bedienungsanleitung von Zeit zu Zeit gereinigt wird.
3. Standzeit bei Gebrauchtfahrfahrzeugen
Standzeiten bei Neu- und Gebrauchtfahrzeugen sind häufig Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen über die Sachmängelhaftung des Verkäufers. Hierbei ist zunächst grundsätzlich zum einen zwischen Neu- und Gebrauchtfahrzeugen und zum anderen zwischen Standzeiten vor und nach der Erstzulassung zu unterscheiden. Längere Standzeiten vor der Erstzulassung bedeuten, dass das Fahrzeug älter ist, als es das Erstzulassungsdatum vermuten lässt. Produktion und Erstzulassung fallen u. U. weit auseinander. Das Modell könnte zudem technisch bereits weiter entwickelt worden sein. Möglicherweise sind auch standzeitbedingte Mängel am Fahrzeug vorhanden. Längere Standzeiten nach der Erstzulassung wirken sich auf das vermutete Alter des Fahrzeugs nicht aus. Auch hier könnten standzeitbedingte Mängel vorhanden sei...