AUB § 1.3.
Leitsatz
Zum Unfallbegriff bei anfänglich willensgesteuerter, dann aber in ihrem weiteren Verlauf nicht mehr gezielter und beherrschbarer Eigenbewegung des Versicherungsnehmers.
BGH, Urt. v. 28.1.2009 – IV ZR 6/08
Sachverhalt
Der Kläger, von Beruf selbständiger Maurer, unterhält bei der Beklagten eine Unfallversicherung. Dem Versicherungsverhältnis liegen AUB zu Grunde, die auszugsweise wie folgt lauten:
"5. In welchen Fällen ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen?"
…
5.2 Ausgeschlossen sind außerdem folgende Beeinträchtigungen:
5.2.1 Schäden an Bandscheiben sowie Blutungen aus inneren Organen und Gehirnblutungen.
Versicherungsschutz besteht jedoch, wenn ein unter diesen Vertrag fallendes Unfallereignis nach Ziffer 1.3 die überwiegende Ursache ist.“
Am 11.2.2004 führte der Kläger auf einer Baustelle Estrich- und Putzarbeiten aus. Dabei schleppte er einen 40 kg schweren Sack, der Material enthielt, auf der rechten Schulter und beging damit einen Plattenweg in Richtung Hauseingang. Als er einem entgegenkommenden Handwerker ausweichen wollte, trat er mit einem Fuß über den Rand des Plattenweges auf die etwa 30 bis 50 cm tiefer gelegene Grünfläche und kam dadurch zu Fall. Bei dem Versuch, den Sack festzuhalten, führte er eine Drehbewegung aus und verspürte noch vor dem Aufprall auf den Erdboden einen heftigen Schmerz im unteren Beckenbereich. Nach stationärer Behandlung vom 12. bis 24.2.2004 wurde der Kläger am 4.3.2004 wegen eines Bandscheibenvorfalles operiert; nach seiner Darstellung sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen dadurch nicht behoben.
Der Kläger machte gegenüber der Beklagten bedingungsgemäße (Voll-)Invalidität geltend.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: [6] „… I. Das BG hat ausgeführt:
[7] Der Kläger habe einen Unfall i.S.v. Ziffer 1.3 AUB erlitten. … Zwar schließe Ziffer 5.2.1 AUB Schäden an der Bandscheibe grundsätzlich aus. In einem solchen Falle bestehe aber dennoch Versicherungsschutz, wenn ein unter den Versicherungsvertrag fallendes Unfallereignis nach Ziffer 1.3 AUB die überwiegende Ursache sei. Dieser Beweis sei durch das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen geführt, das Unfallereignis zu 60 % – also überwiegend – die Ursache des Bandscheibenvorfalls. Insbesondere habe der Sachverständige nicht festgestellt, dass wegen deutlicher degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule im Bereich der unteren Lendenwirbel es jederzeit auch ohne Trauma zu einem Bandscheibenvorfall hätte kommen können. Der Ausschluss in Ziffer 5.2.1 AUB könne nicht für jede altersgerecht degenerierte Wirbelsäule gelten, da es eine gesunde Wirbelsäule für “Menschen jenseits des Kindergartenalters’ nicht gebe. Dann aber würde die Wiedereinschlussklausel für Bandscheibenschäden bei keinem Versicherungsnehmer – Kleinkinder ausgenommen – zur Geltung kommen. Ein solches Auslegungsergebnis könne nicht richtig sein.
[8] Beim Kläger sei Invalidität mit einem Invaliditätsgrad von jedenfalls 80 % binnen eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 15 Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht. Der Invaliditätsgrad bemesse sich danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt sei. Die Bemessung habe sich an der Gliedertaxe zu orientieren, auch wenn diese nicht unmittelbar einschlägig sei, und dürfe nicht zu einem Wertungswiderspruch zu dieser führen. …
[10] II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
[11] 1. Zu folgen ist dem BG lediglich darin, dass der Kläger am 11.2.2004 einen Unfall i.S von Ziffer 1.3 AUB erlitten hat. Danach liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Als Unfall ist damit jedes vom Versicherten nicht beherrschbare und in Bezug auf die dadurch verursachte Gesundheitsschädigung unfreiwillige Geschehen anzusehen. Diese Voraussetzungen sind auch dann gegeben, wenn eine vom Willen des Versicherten getragene und gesteuerte Eigenbewegung zu einer plötzlichen Einwirkung von außen führt, wie es bei einer ursprünglich zwar gewollten und bewusst eingeleiteten, hinsichtlich des Tritts in eine Vertiefung neben dem Plattenweg dann aber unerwarteten Ausweichbewegung mit nachfolgendem Straucheln der Fall ist, wobei die vom Kläger bis dahin willentlich und problemlos getragene Last von 40 kg eine ebenfalls unerwartete Eigendynamik entfaltet hat und vom Kläger abgefangen bzw. abgestützt werden musste. Die anfänglich willensgesteuerte Eigenbewegung war in ihrem weiteren Verlauf nicht mehr gezielt und für den Kläger beherrschbar, sodass Eigenbewegung und äußere Einwirkung zusammengetroffen sind, wobei die äußere Einwirkung ihrerseits Einfluss auf die veränderte und nicht mehr beherrschbare Eigenbewegung genommen hat (vgl. Senat VersR 1989, 73 unter 1b; VersR 1985, 177 unter II 2; …). Schon dadurch ist der Unfallbegriff i.S.v. Ziffer 1.3 AUB erfüllt. Ein (zusätzliches) Aufschlagen auf den Boden ist – anders als die Revision dies me...