VVG § 6 Abs. 3; AKB § 7a I. (2), IX
Leitsatz
1. Ein Versicherungsnehmer verletzt seine Aufklärungsobliegenheit durch Entfernen vom Unfallort auch dann, wenn Zeugen ihn erkannt haben und er sein Kraftfahrzeug mit Papieren zurücklässt.
2. Die Einwilligung eines von mehreren Geschädigten rechtfertigt das Entfernen nicht.
3. Folgenlos ist das Entfernen schon dann nicht, wenn dadurch sichere Feststellungen zu einer Alkoholisierung unmöglich gemacht werden.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 28.1.2009 – 5 U 424/08
Sachverhalt
Am 19.11.2005 erlitt der Kläger gegen 3:00 Uhr nachts mit dem versicherten Fahrzeug einen Unfall. Zuvor hatte er in einem ihm gehörenden Restaurant in R gearbeitet. Er verließ das Lokal mit seiner jetzigen Ehefrau, der Zeugin L. In einer Linkskurve kam der Kläger nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr durch einen Vorgarten und kollidierte sodann mit der Begrenzungsmauer des Anwesens der Zeugin Ba. An den Vorgartenbegrenzungssteinen und der Mauer entstand ein Gesamtschaden von unstreitig jedenfalls 800 EUR.
Zwischen einem Zeugen und der Zeugin L kam es zu einem Streit. Letztere nahm den Kläger mit sich zu ihrem Fahrzeug, und beide entfernten sich vor Eintreffen der Polizei und des Krankenwagens. Am Morgen nach dem Unfall warf der Kläger seine Visitenkarte in den Briefkasten der Zeugin Ba. Außerdem suchte er einen Arzt auf. Er hatte eine Schädelprellung mit Brillenhämatom links, eine Gesichtsprellung mit einer Nasenbeinfraktur, ein Hämatom von Gaumen und Gaumensegel sowie multiple Hämatome des Thorax und der Arme erlitten. Gegen 15:25 Uhr meldete er sich telefonisch bei der Polizei in M und suchte am selben Nachmittag die durch den Unfall geschädigten Grundstückseigentümer Ba und N auf.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „… 3. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, Leistungen aus dem Kaskoversicherungsvertrag zu erbringen. Der Kläger hat durch das Verlassen der Unfallstelle seine vertragliche Obliegenheit gem. § 7a I. (2) AKB verletzt, alles zur Aufklärung des Tatbestands und zur Minderung des Schadens Dienliche zu tun. …
a. In der Kaskoversicherung wird das Verlassen der Unfallstelle auch ohne ausdrückliche Erwähnung in den AKB als Verletzung der Aufklärungsobliegenheit angesehen, wenn dadurch der objektive und subjektive Tatbestand des § 142 StGB erfüllt wird (BGH VersR 2000, 222). Die Strafvorschrift entfaltet einen Schutzreflex für das Aufklärungsinteresse der Kraftfahrzeugversicherung, weil das Ergebnis polizeilicher Ermittlungen mittelbar auch dieser zugute kommt. Dass mit der Verletzung der Pflichten des § 142 StGB Verletzung der Leistungsanspruch gegen den Versicherer gefährdet sein kann, muss sich dem Versicherungsnehmer schon deshalb aufdrängen, weil er um dessen Interesse an der vollständigen Aufklärung des Unfallhergangs und der Unfallursachen weiß und sich bewusst ist, dass er es mit dem Verlassen des Unfallorts nachhaltig beeinträchtigt. Die Aufklärungsobliegenheit entfällt nicht, wenn – wie hier – die Haftungslage eindeutig ist (BGH a.a.O.). Denn in der Kaskoversicherung geht es stets auch darum, zu prüfen, ob der Versicherer gem. § 61 VVG a.F. leistungsfrei ist, etwa weil alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit für den Unfall ursächlich gewesen sein könnte …
b. Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger sich i.S.d. § 142 StGB unerlaubt vom Unfallort entfernt hat. … Es steht fest, dass der Kläger sich als Unfallbeteiligter nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt hat, bevor er zu Gunsten der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ermöglicht hat (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB). …
(2) Die Verwirklichung des Tatbestands des § 142 StGB wird nicht dadurch infrage gestellt, dass die beweiserheblichen Feststellungen vor dem Verlassen der Unfallstelle auch ohne weiteres Zutun des Unfallbeteiligten zu Gunsten der Berechtigten getroffen worden wären. In einem solchen Fall wäre das von der Vorschrift geschützte Rechtsgut – das Beweissicherungsinteresse der Geschädigten – nicht tangiert gewesen. Zwar hat der Kläger angegeben, er sei davon ausgegangen, jedenfalls der Zeuge Be habe ihn erkannt. Zum einen gehörte dieser Zeuge aber gar nicht zu den durch den Unfall Geschädigten, sodass es auf eine eventuelle Befriedigung dessen Informationsbedürfnisses nicht ankommt. Zum anderen genügt es von vornherein nicht, mehr oder weniger deutliche Spuren zu hinterlassen, die letztlich möglicherweise zu einer Identifikation des Unfallverursachers führen können. Der Kläger wäre gehalten gewesen, durch seine Anwesenheit hinreichend sichere und konkrete Feststellungen zu seinen Personalien zu ermöglichen … Selbst wenn eine der anwesenden Personen ihn “von Sehen’ als Inhaber einer nicht näher bezeichneten “Kneipe in R’ gekannt haben sollte, änderte dies nichts am Fortbestehen des weiter gehenden, von § 142 StGB geschützten Beweissicherungsinteresses.
(3) Der Kläger hat den Unfallort verlassen. Der Begriff des Verlassens impliziert ...