StPO § 81a; StGB § 316
1. Zur Annahme von Gefahr im Verzug für die Anordnung einer Blutentnahme bei einer sog. Drogenfahrt.
2. Im Landgerichtsbezirk Bielefeld war (auch) im Jahre 2008 die Einrichtung eines richterlichen Eildienstes zur Nachtzeit verfassungsrechtlich geboten.
3. Das Erfordernis eines richterlichen Eildienstes zur Nachtzeit bei entsprechendem tatsächlichen Bedarf ist für die den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO betreffenden Fälle obergerichtlich erstmals durch Urteil des OLG Hamm vom 18.8.2009 – 3 Ss 293/08 – entschieden worden. Die jahrelange und dadurch schwerwiegende Missachtung einer eindeutigen obergerichtlichen Rspr. (mit der Folge des Beweisverwertungsverbotes) kann damit für vor dem Urt. v. 18.8.2009 liegende Fälle im Hinblick auf den Richtervorbehalt aus § 81a Abs. 2 StPO nicht festgestellt werden.
4. Anders als beim Alkoholkonsum eines Kraftfahrers ist eine Fahruntüchtigkeit nach Genuss von Drogen allein auf Grund eines positiven Wirkstoffspiegels im Blut nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft (noch) nicht zu begründen. Der für die Erfüllung des geltenden § 316 StGB vorausgesetzte Nachweis der "relativen" Fahruntüchtigkeit bei Teilnahme eines unter Rauschgifteinfluss stehenden Kraftfahrers am Straßenverkehr kann nach der gegenwärtigen Gesetzeslage grundsätzlich nur auf Grund des konkreten rauschmittelbedingten Leistungsbildes des Betreffenden im Einzelfall geführt werden. Dazu bedarf es außer des positiven Blutwirkstoffbefunds regelmäßig weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Hamm, Beschl. v. 30.3.2010 – III-3 RVs 7/10
Aus den Gründen:
Das AG hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt.
Zur Sache hat das AG u.a. folgende Feststellungen getroffen:
“Der Angeklagte befuhr am 2.11.2008 in Minden gegen 23.05 Uhr mit einem Pkw der Marke VW Polo, amtliches Kennzeichen XXXX, u.a. die Viktoriastraße in Richtung Meißen. Der Angeklagte stand unter dem Einfluss von Amphetaminen.
Er fuhr auf Grund der rauschmittelbedingten Enthemmung innerhalb geschlossener Ortschaften mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h. Die Geschwindigkeit wurde durch die Polizisten POK S. und PHM P. durch Nachfahren mit einem zivilen Einsatzfahrzeug mit ungeeichtem Tacho über eine Strecke von ca. 650m gemessen. Das Fahrzeug des Angeklagten vollführte 3-4 Schlenker, wobei der Angeklagte jedoch nicht über seine eigene Fahrbahn hinaus geriet. Vor der roten Lichtzeichenanlage an der Kreuzung Südbruch hielt er ordnungsgemäß an. Auf der Weiterfahrt kam es zu einem weiteren Schlenker. Der Angeklagte wurde sodann von Polizisten PHM P. und POK S. angehalten. Seine Augen waren an den Bindehäuten gerötet, die Pupillen reagierten jedoch auf Lichteinfluss. Der Angeklagte trug Augentropfen bei sich. Er unterzog sich freiwillig einem Drogenvortest. Als er sich dazu in die offene Tür des Polizeiwagens setzte, zitterten seine Knie. Außerdem stellten die Polizeibeamten eine trockene Zunge fest.
Da der Test positiv für Amphetamine ausfiel, ordnete POK S. die Entnahme einer Blutprobe an. Ein richterlicher Eildienst war zu diesem Zeitpunkt im Bezirk des Landgerichts Bielefeld zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr nicht eingerichtet. Es wurde daher auch kein Versuch unternommen, einen Richter telefonisch zu erreichen.
Die Entnahme der Blutprobe erfolgte um 23.30 Uhr. Der herbeigerufene Arzt stellte im Rahmen der Untersuchung u.a. einen sicheren Gang, sichere Finger-Finger- und Finger-Nasen-Prüfung, deutliche Sprache, unauffällige Pupillen, klares Bewusstsein, einen geordneten Denkablauf, beherrschtes Verhalten und auffällige Stimmung fest. Der Test ergab eine Menge von 200,1 ng/ml Amphetamin im Blut.
Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte der Angeklagte erkennen können und müssen, dass er auf Grund des Betäubungsmittelkonsums zum sicheren Führen des Kraftfahrzeuges nicht in der Lage war.”
Ausweislich der weiteren Urteilsfeststellungen sah das AG den Angeklagten auf Grund der Aussage des Polizeibeamten POK S. sowie des durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführten ärztlichen Berichts über die Blutentnahme sowie des toxikologischen Berichts des Labors K vom 5.11.2008 über die Auswertung der entnommenen Blutprobe als überführt an.
Auf die (Sprung-) Revision des Angeklagten hebt das OLG das Urteil des AG mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des AG zurück.
Aus den Gründen: “ … II. Die zulässige Sprungrevision hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des AG Minden (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO).
A. Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 81a Abs. 2 StPO (Nichtbeachtung des Richtervorbehalts und fehlerhafte Annahme von "Gefahr in Verzug") ist zulässig erhoben, hat in der Sache jedoch kei...