StVO § 1
1. Fahrspuren auf Parkplätzen dienen grundsätzlich nicht dem fließenden Verkehr, sodass sie – vorbehaltlich der Umstände des Einzelfalls – keine Vorfahrt gewähren und auch § 10 StVO nicht gilt, sondern alle Fahrzeugführer zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 1 StVO verpflichtet sind.
2. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn die angelegten Fahrspuren zwischen den Parkplätzen eindeutig Straßencharakter haben und sich aus ihrer baulichen Anlage ergibt, dass sie nicht dem Suchen von Parkplätzen dienen, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge.
3. Im Falle der Kollision eines Pkw, der aus einer kleinen Durchfahrtsgasse zwischen Parkplätzen mit ca. 45 km/h auf einen breiten Zufahrtsweg einfährt, mit einem von links kommenden Kfz kommt die Alleinhaftung des einfahrenden Pkw in Betracht.
(Leitsätze des Einsenders)
KG, Beschl. v. 12.10.2009 – 12 U 233/08
Der Zeuge L, Sohn der Klägerin, fuhr mit dem Fahrzeug der Klägerin auf einem Parkplatz auf einem von den Stellflächen abgegrenzten Zufahrtsweg, von dem rechts und links zu den eigentlichen Parkplätzen abgebogen werden konnte. Die Beklagte zu 1) befand sich mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw auf einer aus der Sicht des Zeugen L rechts befindlichen Parkplatzfläche, deren Zufahrt in den Fahrweg des Zeugen einmündete. Bei Einfahren der Beklagten zu 1) mit ihrem Fahrzeug in den von dem Zeugen L befahrenen Weg stießen die Fahrzeuge zusammen. Das LG ging von einer vollen Haftung der Beklagten dem Grunde nach aus und nahm nur hinsichtlich der Höhe geringe Abstriche von der Klageforderung vor. Das Berufungsgericht wies auf die fehlende Erfolgsaussicht der Berufung der Beklagten hin.
Aus den Gründen:
“1. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rspr. erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist nicht der Fall.
Das LG hat die Beklagten mit dem angegriffenen Urteil zu Recht verurteilt, der Klägerin den ihr auf Grund des Unfalls vom 5.6.2005 mit ihrem Fahrzeug Opel Corsa entstandenen Schaden, soweit er schlüssig dargelegt war, in voller Höhe zu ersetzen.
Die hiergegen von den Beklagten gerichtete Berufung, mit welcher sie das Urteil lediglich insoweit angreifen, als sie zu einer mehr als 50 %igen Haftung verurteilt worden sind, hat keine Aussicht auf Erfolg.
a) Die Berufung greift zu Unrecht die Ausführungen des LG an, soweit dieses davon ausgegangen ist, dass § 10 StVO hier zu Lasten des Beklagten zu 1. analog anzuwenden ist, wonach er dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs den Vorrang hätte lassen müssen.
Grundsätzlich dienen Fahrspuren auf Parkplätzen nicht dem fließenden Verkehr, weshalb im Regelfall davon auszugehen ist, dass sie keine Vorfahrt gewähren und auch für den Ausparkenden gegenüber dem eine Fahrspur bereits Befahrenden § 10 StVO nicht gilt (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 8 StVO Rn 31a). Die den Parkplatz befahrenden Fahrzeugführer haben deshalb hohe Sorgfaltspflichten und sind sich zur gegenseitigen Rücksichtnahme gem. § 1 StVO verpflichtet (vgl. Senat, Urt. v. 4.2.2002 – KGR 2002, 364 = VM 2003 Nr. 11 = VRS 104, 24 = NZV 2003, 381; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.6.2009 – NJW 2009, 3038).
Etwas anderes kann gelten, wenn die angelegten Fahrspuren zwischen den Parkplätzen eindeutig Straßencharakter haben und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergibt, dass sie nicht dem Suchen von Parkplätzen dienen, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge. Handelt es sich bei einer bzw. mehreren der Zufahrtswege um eine gegenüber den Durchfahrtsgassen zwischen den Parkplätzen nochmals baulich größer und breiter ausgestalteten Zufahrtsstraße, so kann § 10 StVO – jedenfalls wie das LG zutreffend ausgeführt hat analog – zur Anwendung kommen (vgl. hierzu auch OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28.7.2006 – VerkMitt 2007, Nr. 43).
Entgegen den Ausführungen der Berufung ist die von dem klägerischen Fahrer befahrene Zufahrtsstraße bereits baulich deutlich gegenüber den Zufahrtsgassen zu den einzelnen Parkplätzen abgesetzt. Es handelt sich um eine zweispurige Straße mit gestrichelter Mittellinie, an der sich selbst keine Parkplätze befinden. Sie dient allein als Zubringer zu den Zufahrtsgassen, an denen sich sodann erst die Parkplätze befinden. Zudem ist sie, was das LG ebenfalls richtig ausgeführt hat, jeweils durch bauliche Anlagen mit kleinen Hecken und Büschen gestaltet, was – wie sich auf der Luftbildaufnahme deutlich erkennen lässt – den beiden Zufahrtsstraßen einen eindeutigen Straßencharakter verleiht. Dies ist entgegen den Ausführungen der Beklagten für die Zufahrtsgassen nicht der Fall. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass e...