ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; VV RVG Nr. 1000 1003
Leitsatz
Die Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs gehören nur dann zu den erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits, wenn die Parteien dies vereinbart haben.
BGH, Beschl. v. 15.3.2011 – VI ZB 45/09
Sachverhalt
Der Kl. hatte die Bekl. in den beiden zugrunde liegenden Rechtsstreitigkeiten vor dem LG auf Unterlassung von Presseveröffentlichungen in Anspruch genommen. Im Verhandlungstermin hat das LG den Parteien vorgeschlagen, sich dahingehend zu einigen, dass die jeweiligen Bekl. die Klageansprüche anerkennen und der Kl. im Gegenzug erklären solle, dass er keine weiteren Ansprüche aus den streitgegenständlichen Veröffentlichungen mehr geltend machen werde. Der Prozessbevollmächtigte des Kl. teilte hieraufhin dem LG schriftsätzlich zu beiden Verfahren mit, dass die Parteien sich im Sinne des gerichtlichen Vorschlages geeinigt hätten. In einem Schriftsatz bestätigte der Prozessbevollmächtigte der Bekl. diese Abrede und erklärte das Anerkenntnis des jeweiligen Klageanspruchs. Daraufhin erließ das LG in jedem der beiden Verfahren ein Anerkenntnisurt., mit dem der jeweiligen Bekl. die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden.
Im Kostenfestsetzungsverfahren meldete der Prozessbevollmächtigte des Kl. in jedem der beiden Verfahren u.a. eine 1,0 Einigungsgebühr gem. Nr. 1000, 1003 VV RVG zur Festsetzung an. Die Rechtspflegerin des LG hat die Einigungsgebühren in ihren Kostenfestsetzungsbeschl. unberücksichtigt gelassen. Auf die sofortige Beschwerde des Kl. hat das OLG in beiden Verfahren die geltend gemachte Einigungsgebühr festgesetzt. Die hiergegen von den Bekl. eingelegten Rechtsbeschwerden hatten Erfolg und führten zur Absetzung der Einigungsgebühren.
2 Aus den Gründen:
[6] Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zulässig und begründet. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Rechtspflegerin hat zu Recht die in beiden Verfahren vom Prozessbevollmächtigten des Kl. geltend gemachte Einigungsgebühr nicht berücksichtigt.
[7] 1. In der Sache zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Entstehung einer Einigungsgebühr gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, RVG-VV Nr. 1000 Abs. 1 S. 1, Nr. 1003 vorliegen, weil die Prozessbevollmächtigten der Parteien bei Abschluss eines Vertrags mitgewirkt haben, durch den der Streit über den Gegenstand beider Verfahren beseitigt worden ist.
[8] 2. Rechtsfehlerhaft ist allerdings die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass die Einigungsgebühren gemäß der Kostengrundentscheidung in den jeweils ergangenen Anerkenntnisurt. von den Bekl. zu erstatten seien.
[9] a) Nicht zu beanstanden ist zwar die Auffassung, der Erstattung der Einigungsgebühr stehe nicht entgegen, dass die Parteien zu einer außergerichtlichen Einigung ohne förmliche Niederlegung eines Prozessvergleichs gefunden haben. Für die Festsetzbarkeit einer Einigungsgebühr ist nämlich – anders als nach der früheren Regelung des § 23 BRAGO (vgl. BGH, VersR 2004, 395) – die Protokollierung eines als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleichs nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht erforderlich. Der VIII. Zivilsenat des BGH hat erklärt, er halte an seiner im Beschl. v. 28.3.2006, NJW 2006, 1523) geäußerten gegenteiligen Auffassung nicht fest (vgl. BGH – II ZB 10/06, NJW 2007, 2187 Rn 7).
[10] b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts gehören aber die Kosten eines – hier vorliegenden – außergerichtlichen Vergleichs nur dann zu den erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits, wenn die Parteien dies vereinbart haben (vgl. NJW 2009, 519.; OLG Karlsruhe JurBüro 1991, 89, 90; OLG München, FamRZ 1999, 1674; OLG Frankfurt, NJW 2005, 2465, 2466; OLG Hamm, OLGR Hamm 2007, 738; Musielak/Wolst, ZPO, 7. Aufl., § 98 Rn 2; MüKoZPO/Giebel, 3. Aufl., § 98 Rn 23 ff.; Schneider in Prütting/Gehrlein, ZPO, 2. Aufl., § 98 Rn 1; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 98 Rn 7; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., VV 1000 Rn 321 unter Aufgabe der gegenteiligen Auffassung in der 18. Aufl., a.a.O., Rn 376).
[11] aa) Gemäß § 98 S. 1 ZPO sind bei einem Prozessvergleich die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs als gegeneinander aufgehoben anzusehen, wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben. Für einen außergerichtlichen Vergleich gilt die Vorschrift jedenfalls dann entsprechend, wenn der außergerichtliche Vergleich zur Prozessbeendigung führt (vgl. BGH, BGHZ 39, 60, 69; NJW 1989, 39, 40; NJW-RR 2006, 1000; VersR 2007, 1086). Eine abweichende Vereinbarung liegt im hier beendeten Streitverfahren nicht vor.
[12] bb) Die Erstattungsfähigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass die in den Anerkenntnisurt. getroffenen Kostengrundentscheidungen auch die Kosten der außergerichtlichen Einigung mit erfassten. Fehlt es an einer entsprechenden Vereinbarung hinsichtlich der Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs, erfasst die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits die Kosten eines außergericht...