Das OLG Rostock hatte einen vergleichsweise einfachen Fall zu entscheiden: Die mitversicherte 15-jährige Tochter hatte mit ihrem Fahrrad einen Unfall verursacht und, wie unterstellt wird, über den Prozessbevollmächtigten ihres Vaters, des VN, dem privaten Haftpflichtversicherer falsch mitgeteilt, sie sei gar nicht Unfallbeteiligte gewesen. Sie war zuvor nicht über die Rechtsfolgen falscher Auskünfte belehrt worden. Ihr Verhalten schadet ihr nach Ansicht des OLG Rostock nicht. Einer der dafür angeführten Gründe verblüfft (1) und sollte von der Rechtsprechung nicht weiter verfolgt werden, der andere (2) ist für die Interpretation des § 28 Abs. 4 VVG über den Fall hinaus von Bedeutung und zutreffend.

(1) Die (im Rahmen der Aufklärungsobliegenheit, jetzt Nr. 25.2 AHB 08, erfolgende) Mitteilung der Versicherten, sie habe den Unfall nicht verursacht, habe als geschäftsähnliche, ihr nachteilige Handlung der Einwilligung der Sorgeberechtigten bedurft, sei, weil diese Einwilligung fehle, also unwirksam. Das liest man so zum ersten Mal. Gegen eine solche Annahme bestehen auch Bedenken. Die Rechtsfolgen einer unzutreffenden Aufklärung treten völlig unabhängig davon ein, ob ein VN oder Versicherter sie will. Die Frage ist aber vor allem nicht, ob die Versicherte gegenüber dem Versicherer wirksam rechtsgeschäftlich oder geschäftsähnlich gehandelt, sondern ob die Versicherte eine dem VN nach § 47 VVG zuzurechnende Obliegenheitsverletzung begangen hat. Objektiv ist das zweifellos der Fall. Auch Minderjährige können Obliegenheiten treffen und sie verletzen, so wie sie auch vertragswidrig oder deliktisch handeln können. Ob und inwieweit das einer Minderjährigen subjektiv (in welchem Maße) vorwerfbar ist, richtet sich nicht nach den § 104 ff., insb. § 107 BGB, sondern in entsprechender Anwendung nach den §§ 827, 828 BGB. Dass eine 15-Jährige nach § 828 Abs. 3 BGB grundsätzlich über die Einsicht verfügt, Versicherer korrekt informieren zu müssen, kann schwerlich bestritten werden.

(2) Ein Versicherer kann sich auch bei vorsätzlichen Aufklärungsobliegenheitsverletzungen nicht auf Leistungsfreiheit berufen, wenn er den VN zuvor nicht korrekt belehrt hat. Davon gilt (wie schon nach altem Recht), auch wenn § 28 Abs. 4 VVG das nicht ausdrücklich sagt, eine Ausnahme bei Arglist. Arglist setzt allerdings voraus, dass der VN (oder die versicherte Person) seinen Versicherer nicht nur vorsätzlich (willentlich und wissentlich) falsch informiert hat, sondern dass er damit auch auf die Regulierungsentscheidung günstigen Einfluss ausüben wollte. Das gibt auf, die Motivation der Verletzung der Obliegenheit zu erforschen. Das OLG Rostock erwägt, dass die 15jährige Tochter mit ihrer Leugnung der Unfallbeteiligung wohl kaum den Haftpflichtversicherer ihres Vaters beeinflussen sondern sich schlicht erzieherischen Konsequenzen entziehen wollte. Das überzeugt.

Die Argumentation verweist zugleich auf eine ohne Weiteres vergleichbare Problematik der Kraftfahrtversicherung bei folgenlosem (§ 28 Abs. 3 VVG) unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, das einem VN nur schadet, wenn es arglistig war (vgl. nur LG Saarbrücken zfs 2010, 632). Auch dort ist die Frage erlaubt, ob ein VN seine Aufklärungsobliegenheit verletzt, um den Kaskoversicherer zu beeinflussen oder schlicht, um sich polizeilichen (oder vielleicht auch einmal privaten) Feststellungen zu entziehen. Das OLG Rostock weist insoweit in ähnlichem Zusammenhang – leider nach einer unvertretbaren Einleitung – wohl zu erwägende Wege.

PräsOLG Prof. Dr. Roland Rixecker

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