ARB 1975 § 17 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
1. Dem Rechtsschutzversicherer steht es grds. frei, sich für die Gewährung von Abwehrdeckung gegen Gebührenforderungen eines mit einem Stichentscheid beauftragten Prozessbevollmächtigten zu entscheiden.
2. Gebührenschuldner eines Stichentscheidverfahrens ist der VN.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 12.12.2018 – IV ZR 216/17
Sachverhalt
Die Kl. schlossen bei der Bekl. Rechtsschutzversicherungen ab, denen die ARB 75 zugrunde liegen.
Die Kl. beteiligten sich in den Jahren 1991 bis 1999 an verschiedenen Gesellschaften der sog. G.
Wegen erlittener Vermögenseinbußen beauftragten sie Prozessbevollmächtigte mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Wirtschaftsprüfungsunternehmen, die für die G. tätig waren.
Nachdem die Prozessbevollmächtigten im Auftrag der Kl. zu 1 bis 3 bei der Bekl. Deckungsschutz für eine außergerichtliche Interessenwahrnehmung erbeten hatten, stellten sie für die Kl. Ende 2011 Anträge auf außergerichtliche Streitschlichtung bei einer staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle. Das Güteverfahren scheiterte. Hiervon setzten die Prozessbevollmächtigten die Bekl. im November 2012 in Kenntnis und baten um Zusage von Kostenschutz für ein erstinstanzliches gerichtliches Verfahren sowie für das durchgeführte Güteverfahren.
Die Bekl. lehnte Versicherungsschutz für das beabsichtigte gerichtliche Verfahren ab und wies insoweit auf die Möglichkeit eines Stichentscheids gem. § 17 Abs. 2 ARB 75 hin. Die Kl. beauftragten die Prozessbevollmächtigten, Stichentscheide zu erstellen. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung bestehe und sich die Kl. nicht mutwillig verhielten. Das akzeptierte die Bekl. nicht, sondern vertrat die Auffassung, dass die Stichentscheide offensichtlich erheblich von der wirklichen Sach- und Rechtslage abwichen und daher nicht bindend seien.
Für die Erstellung der Stichentscheide rechneten die Prozessbevollmächtigten jeweils eine Geschäftsgebühr von 1,6 ab und forderten die Bekl. zu deren Ausgleich auf. Für die Kl. zu 2 bis 4 zahlte die Bekl. lediglich eine Geschäftsgebühr von 0,5 und erteilte hinsichtlich der Abwehr des Differenzbetrages Kostenschutz. Unter dem 25.4.2014 stellten die Prozessbevollmächtigten den Kl. zu 1 bis 3 Kosten für das Güteverfahren in Rechnung und forderten die Bekl. zum Ausgleich auf, woraufhin die Bekl. den genannten Kl. nach den Feststellungen des BG am 2.5.2014 Abwehrschutz zusagte.
2 Aus den Gründen:
"… [11] IV. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg."
[12] 1. Das BG hat den Kl. zu Recht keinen Freistellungsanspruch zugesprochen, nachdem die Bekl. ihnen Abwehrdeckung zugesagt hat. Das ergibt sich aus den Senatsurteilen vom 11. 4. 2018 (VersR 2018, 673) und vom 21.10.2015 (VersR 2015, 1501), deren Erwägungen sich – auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens – auf den Streitfall übertragen lassen.
[13] Das BG hat zutreffend angenommen, dass es dem VR auch im Hinblick auf den Anspruch des VN aus § 17 Abs. 2 S. 1 ARB 75 grds. freisteht, auf welche Weise er diesen von der Gebührenforderung des Rechtsanwalts befreit. Auch insoweit kann sich der VR für die Gewährung von Abwehrdeckung entscheiden. Weder der Wortlaut von § 17 Abs. 2 S. 1 ARB 75 noch der Sinn und Zweck des Stichentscheidverfahrens, dem VN ein schnelles, einfaches und für ihn nicht mit Kosten verbundenes Verfahren an die Hand zu geben, um die Notwendigkeit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen (vgl. § 1 Abs. 1 ARB 75) verbindlich klären zu lassen (vgl. Senat VersR 2003, 638 unter 2 a bb), rechtfertigen eine gegenüber dem Anspruch aus § 2 Abs. 1 Buchst. a) ARB 75 abweichende Beurteilung. Dass der Anspruch aus § 17 Abs. 2 S. 1 ARB 75 unabhängig von dem Ergebnis des Stichentscheids besteht, unterscheidet ihn – entgegen der Auffassung der Revision – nicht entscheidend von dem des § 2 Abs. 1 Buchst. a) ARB 75. Auch dieser hängt nicht davon ab, ob die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen letztlich Erfolg hat.
[14] 2. Die Klage auf Freistellung von Gebührenforderungen ist nach Zusage von Abwehrdeckung durch die Bekl. derzeit unbegründet (vgl. Senat VersR 2018, 673; VersR 2015, 1501). Das kann der Senat in den Beschlussgründen klarstellen (…).
[15] Hinsichtlich der Gebühren für die Stichentscheide gilt nicht wegen einer etwa fehlenden Passivlegitimation der Kl. etwas anderes. Schuldner dieser Gebühren sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Kl. § 17 Abs. 2 S. 1 ARB 75 enthält keine Erklärung des VR, die Gebührenschuld für die Erstellung eines Stichentscheids mit befreiender Wirkung für den VN zu übernehmen. Ein durchschnittlicher, juristisch nicht vorgebildeter VN, auf dessen Verständnismöglichkeiten es bei der Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen nach ständiger Senatsrechtsprechung maßgeblich ankommt, wird der Klausel eine solche Erklärung nicht entnehmen. Er erkennt vielmehr, dass der Anspruch aus der Rechtsschutzversicherung auf die Befreiung von den bei der Wahrung der rechtlich...