Nicht nur, aber vor allem im Schadensersatzrecht hängt die Anspruchsdurchsetzung von Beweisen ab. Neben dem Satz, dass man vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand sei, gehört die Belehrung des Mandanten über "Recht haben und Recht bekommen" zum Standard. Nun kann man sich als Beweisführer geeignete Beweismittel auch "beschaffen". Das gilt auch bereits im Vorfeld eines Schadensfalls, etwa wenn die Unfallfahrt mit einer sog. DashCam gefilmt wurde.
Oder es werden nach dem Unfall mit dem Smartphone in der Brusttasche die Beteiligten und auch Unbeteiligte gefilmt und deren Gespräch dabei heimlich aufgenommen um auf diese Weise ein Schuldeingeständnis zu dokumentieren.
Und es gibt Alltagsfälle wie diese: Immer wieder wird einem Geschädigten der Lack seines Porsche in einer privaten Haustiefgarage zerkratzt; er bringt daraufhin eine Kamera an, um den Täter zu überführen.
Versicherer schicken Privatdetektive los, um durch heimliche Aufnahmen oder als Agent Provocateur eine die Versicherungsleistung begehrende Person als "Simulant" zu entlarven, oder sie ziehen Erkenntnisse aus rechtswidrig beschafften Gesundheitsdaten.
In all diesen Fällen ist die Frage, ob derartige Beweismittel verwertet werden dürfen, evident. Die Zivilprozessordnung kennt eine regulierende Vorschrift zu solchen Problematiken nicht. Daraus lässt sich aber keine generelle Zulässigkeit ableiten, solch rechtswidrig beschaffte Beweismittel zu verwerten. Auch die Gegenmeinung wird an argumentative Grenzen stoßen, wenn das rechtliche Gehör Richter verpflichtet, angebotene Beweise zu berücksichtigen, weil andernfalls das in § 14 Abs. 1 GG normierte Eigentumsgrundrecht gefährdet wäre. Das Bundesverfassungsgericht hat von jeher eine vermittelnde Position eingenommen, wonach nicht jedes rechtswidrig beschaffte Beweismittel einem Verwertungsverbot unterliegt. Vielmehr ist eine Abwägung aller zu berücksichtigenden Interessen im "Lichte der Grundrechte" vorzunehmen.
Der BGH hat dabei in seinem DashCam-Urteil (BGH, Urt. v. 15.5.2018 – VI ZR 233/17) klargemacht, dass die Wahrheitsfindung bei einem harmlosen Blechunfall gegenüber Persönlichkeitsrechtsverletzungen vorgehe. In anderen Fällen, etwa beim heimlichen Mithören eines Gesprächs zu Beweiszwecken zum Zustandekommen eines Darlehens (BGH NJW 2003, 1727, 1728) oder einem heimlich eingeholten Vaterschaftstest, hält er die Verwertbarkeit nicht für gegeben (BGH NJW 2005, 497), sodass im zweitgenannten Fall der Vater – Mutter und Kind verweigerten einen freiwilligen DNA-Test – weiterzahlen musste. Der oben erwähnte Porschefahrer konnte nach einer ähnlich gelagerten Entscheidung des OLG Köln (NJW 2005, 2997) seine heimliche Videoaufnahme nicht verwerten. Mit Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit sind solche Entscheidungen nicht immer in Einklang zu bringen.
Können in einem Rechtsstaat illegal beschaffte Beweismittel überhaupt Verwendung finden oder ist das nicht ein Widerspruch in sich? Was aber macht derjenige, der sich in einer Notstandssituation oder einer absoluten Beweisnot befindet?! Die Kasuistik ist, wenn sich überhaupt damit beschäftigt wird, sehr uneinheitlich und auch nicht immer voraussehbar. Und die Problematik wird zunehmen, weil durch die Allgegenwart von Smartphones jede Hemmschwelle fällt. Mir sind Fälle bekannt, wo Zeugen mit dem Smartphone in der Tasche ihre eigene Zeugeneinvernahme vor Gericht nach draußen zum dort wartenden weiteren Zeugen "live" übertragen haben. Jüngst berichtete mir ein Kollege, dass sein Beratungsgespräch mit dem Mandanten von diesem "vorsorglich" mit dem Smartphone heimlich aufgenommen wurde. Aus meiner Sicht verlangt der Rechtsstaat klare gesetzgeberische Spielregeln, ob und ggf. wann rechtswidrig erlangte Beweismittel zulässig sind. Und es ist notwendig, in gerichtlichen Verfahren die Verwertbarkeit stärker als bisher zu problematisieren, als solche Beweismittel wie meist einfach nur hinzunehmen. Der Zweck kann in einem Rechtsstaat nicht die Mittel heiligen, auch nicht, wenn sie im Dienste der Wahrheitsfindung stehen.
Autor: Andreas Krämer
RA Andreas Krämer, FA für Versicherungsrecht und für Verkehrsrecht, Frankfurt/M.
zfs 7/2019, S. 361