VVG § 23 Abs. 1 § 26 Abs. 1 und Abs. 3 § 27 § 81 Abs. 2
Leitsatz
1.
Wird die elektronische Öffnungsüberwachung von Zugängen zu einem Museum aufgrund von Störungen bei der Signalentstehung dauerhaft deaktiviert, ist der Einbruchsdiebstahlsversicherer leistungsfrei, wenn wenig später ein wertvolles Ausstellungsstück nach einem Einbruch entwendet wird.
2.
Überlässt der versicherte Verleiher einer wertvollen Goldmünze das Sicherheitsmanagement des ausstellenden Museums, so sind die Museumsleitung und deren Mitarbeiter Repräsentanten des Versicherungsnehmers.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Berlin, Urt. v. 17.3.2020 – 4 O 63/19
Sachverhalt
Der Kl. ist Eigentümer der Goldmünze "Big Maple Leaf", welche er durch mehrere Leihverträge seit Ende 2010 der Streithelferin zwecks öffentlicher Ausstellung zur Verfügung stellte. Die Streithelferin, die seit 2003 u.a. bei der Bekl. als führender VR eine "X-General-Police" unterhält, schloss mit der Bekl. betreffend die Münze eine weitere "X-Police", die mit einer Versicherungssumme von zuletzt 4.200.000 EUR u.a. die Risiken Diebstahl und Einbruchsdiebstahl abdeckte. Dem Vertrag liegen die AVB X zu Grunde. Der Kl. ist von der Streithelferin sowie der X AG, an die er zwischenzeitlich seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag abgetreten hat, zur Geltendmachung dieser Ansprüche ermächtigt.
Am 27.3.2017 kam es zu einem Einbruch in das von der Streithelferin betriebene Berliner Bode-Museum, bei dem die Münze entwendet wurde. Wegen der Einzelheiten des Geschehensablaufs wird auf den polizeilichen Sachstandsbericht des X verwiesen. Nach Einholung von Auskünften bei der Streitverkündeten brachte die Bekl. lediglich 20 % der Versicherungssumme, mithin 840.000 EUR an die X AG zur Auszahlung.
Die Bekl. ist der Auffassung, der geltend gemachte Leistungsanspruch bestehe nicht, weil das Bode-Museum, das von der Streithelferin vollständig mit der Organisation seiner Sicherheitseinrichtungen beauftragt und dessen Verhalten als Repräsentant dem Kl. zuzurechnen sei, nach Abschluss des Vertrages Risikoerhöhungen vorgenommen, die zur (teilweisen) Leistungsfreiheit führten. Insb. seien Ende 2015 Kameras vom gegenüberliegenden Pergamonmuseum demontiert worden, die die Gebäudefront des Bode-Museums überwacht hätten. Die Öffnungs- und Verschlussüberwachung des Fensters der Herren-Umkleide, durch welches die Diebe in das Bode-Museum eingedrungen sind, sei – unstreitig – ausgeschaltet gewesen. Ein vorangegangener Einbruchsversuch vom X, bei dem die Vorsatzscheibe des Fensters zur Herrenumkleide beschädigt wurde, sei unbeachtet geblieben. Das bei externen Dienstleistern angestellte Wachpersonal sei nicht überprüft worden. Wegen der Einzelheiten der von der Bekl. angeführten gefahrerhöhenden Umstände wird auf das Parteigutachten ihres Sachverständigen X vom X verwiesen.
2 Aus den Gründen:
"… Die Klage ist nicht begründet."
I. Der geltend gemachte, auf die “X-Police' gestützte versicherungsvertragliche Leistungsanspruch (§§ 1 S. 1, 44 Abs. 1 S. 1 VVG) besteht nicht.
1. Zwar stellt die Entwendung der Goldmünze aus dem Bode-Museum nach den im Versicherungsschein in Verbindung mit den AVB X getroffenen Vereinbarungen ein versichertes Ereignis dar. Der Anspruch wäre auch fällig. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Denn die Bekl. ist wegen vorsätzlicher Gefahrerhöhung gem. Ziff. X AVB X und (gleichlautend) § 26 Abs. 1 S. 1 VVG leistungsfrei.
2. Eine Gefahrerhöhung ist gegeben, wenn durch Veränderung sicherheitsrelevanter Umstände ein Zustand von gewisser Dauer geschaffen wird, der für das versicherte Risiko eine erhöhte Eintrittswahrscheinlichkeit begründet, durch den also das Äquivalenzverhältnis des Versicherungsvertrages gestört wird (Prölss/Martin/Armbrüster, 30. Aufl. 2018, VVG § 23 Rn 7; BeckOK VVG/Staudinger, 6. Ed. 28.2.2019, VVG § 23 Rn 21). Zu vergleichen ist die tatsächliche Risikolage bei Abgabe der Vertragserklärung des Versicherers mit der Risikolage bei Eintritt des Versicherungsfalles (Staudinger, a.a.O., Rn 23).
3. Vorrangige vertragliche Abreden hinsichtlich des von der Streithelferin einzuhaltenden Sicherheitsstandards bestanden vorliegend nicht. Insb. haben die Parteien des Versicherungsvertrages ausweislich der vorliegenden Vertragsunterlagen kein bestimmtes Sicherheitskonzept (…) zur Vertragsgrundlage erklärt. Eine Einbeziehung – mithin eine Vertragsänderung – im Zuge der jährlichen Vertragsverlängerungen hat ebenfalls nicht stattgefunden. Denn dabei wird nur die Dauer des Vertrages, nicht sein Inhalt angepasst.
4. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages Ende 2012 bestand für das Fenster der Herren-Umkleide ebenso wie für die gesamte Gebäudeaußenhülle neben der Glasbruchüberwachung eine elektrische Öffnungsüberwachung dergestalt, dass jede Öffnung eines Fensterflügels ein Warnsignal in der Überwachungszentrale des Museums auslöste. Diese Öffnungsüberwachung wurde seitens der für die Sicherheit verantwortlichen Mitarbeiter des Bode-Museums aufgrund von Störungen bei der Signalentstehung deaktiviert. Darin lag ...