"… II. Die Berufung der Kl. ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist mithin zulässig. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung stellt sich im Prüfungsrahmen der §§ 513, 529, 546 ZPO im Ergebnis als richtig dar, weil Ansprüche gegen die Bekl. zu 1) gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG und gegen die Bekl. zu 2) gem. §§ 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG aufgrund der nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmenden Abwägung zu verneinen sind, vielmehr die alleinige Haftung für die beim Unfallereignis v. 7.6.2018 in Sch. verursachten Schäden die Kl. trifft."
1. Allerdings ergibt sich die vollumfängliche Haftung der Kl. nicht, wie das LG in erster Linie angenommen hat (Bl. 152 d.A.), aus § 9 Abs. 5 StVO, sondern aus § 10 S. 1 StVO. § 9 StVO ist nur für Verkehrsvorgänge anwendbar, die auf Straßen stattfinden, und nicht auf das Einfahren auf eine Straße von einem Parkplatz (OLG Karlsruhe NJW-RR 2016, 352, 353 Rn 17; Senat r+s 2018, 37, 39 Rn 45).
2. Wer – wie die Kl. – rückwärts ausparkt, hat nach § 10 S. 1 StVO jede Gefährdung des fließenden Verkehrs auszuschließen. Zu den anderen Straßenteilen im Sinne dieser Vorschrift zählen anerkanntermaßen auch Parkplätze oder Parkstreifen (Scholten in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht 1. Aufl. § 10 StVO Rn 33). Eine Wiedereingliederung des anfahrenden Fahrzeugs in den fließenden Verkehr ist erst dann beendet, wenn es sich endgültig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat und jede Auswirkung des Anfahrvorganges auf das weitere Verkehrsgeschehen ausgeschlossen ist (OLG Hamm, Urt. v. 27.3.2015 – I-11 U 44/14, juris Rn 6). Der von § 10 S. 1 StVO geforderte Gefährdungsausschluss ist der höchste Sorgfaltsmaßstab, den das deutsche Straßenverkehrsrecht kennt (Senat r+s 2018, 37, 38 Rn 36). Kommt es zu einem Unfall mit dem bevorrechtigten fließenden Verkehr, spricht der Anscheinsbeweis für das Alleinverschulden des rückwärts Ausparkenden (OLG Frankfurt a.M. VersR 1982, 1079). In diesen Fällen reicht zur Begründung des Anscheinsbeweises die Feststellung aus, dass es in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Einfahren zu einem Zusammenstoß gekommen ist (Scholten in Freymann/Wellner, a.a.O. Rn 60). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob das einfahrende Fahrzeug im Zeitpunkt der Kollision steht oder sich in Bewegung befindet (OLG Celle NZV 2006, 309; Burmann in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht 26. Aufl. § 10 StVO Rn 8). § 10 StVO knüpft nicht an eine ununterbrochene Bewegung des Einfahrenden an, sondern an das Eindringen aus einem Grundstück auf eine dem durchgehenden Verkehr dienende Fahrbahn, welches erst dann beendet ist, wenn sich das Fahrzeug endgültig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat oder wenn es auf der Straße wieder verkehrsgerecht abgestellt ist (OLG Celle NZV 2006, 309). Fehl geht deswegen der Vortrag der Berufung, das schräg auf der Fahrbahn der Bekl. zu 1) nach der Behauptung der Kl. stehende Fahrzeug sei als Hindernis deutlich sichtbar und eine Gefährdung des fließenden Verkehrs sei nicht gegeben gewesen (Bl. 190 d.A. Abs. 3). Im Übrigen kann aus der Tatsache, dass der Einfahrende sein Fahrzeug noch zum Stehen gebracht hat, nicht geschlossen werden, dass auch der Vorfahrtsberechtigte dazu die Gelegenheit hatte (Scholten in Freymann/Wellner, a.a.O. Rn 61).
3. Die gesteigerte Sorgfaltspflicht des vom Grundstück in die Fahrbahn Einfahrenden führt dazu, dass bei einem Unfall in der Regel von seiner Alleinhaftung auszugehen ist und die Betriebsgefahr des im fließenden Verkehr Befindlichen regelmäßig zurücktritt (Senat NJW-RR 2015, 351, 352 Rn 75; NJW 2018, 315, 319 Rn 58). Will der rückwärts Ausparkende der Alleinhaftung wenigstens teilweise entgehen, muss er den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis erschüttern, indem er vorträgt und beweist, dass er entweder bereits solange auf dem bevorrechtigten Fahrbahnteil stand, dass sich der fließende Verkehr auf ihn einstellen konnte und musste oder dass er sich – was hier jedoch aufgrund der Schrägstellung auf der Fahrbahn ausscheidet – so weit von der Stelle des Losfahrens entfernt und sich in seinem Fahrverhalten (Einordnen, Geschwindigkeit) so dem Verkehrsfluss angepasst hatte, dass die Tatsache seines Anfahrens unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr für den weiteren Geschehensablauf ursächlich sein kann (OLG München NJW-RR 2014, 601, 602). Erschüttert ist der Anscheinsbeweis, wenn die ernsthafte (reale) Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs besteht. Die Tatsachen, aus denen diese ernsthafte Möglichkeit hergeleitet wird, müssen unstreitig oder (voll) bewiesen sein. Zweifel gehen zulasten dessen, gegen den der Anscheinsbeweis streitet. Bei erfolgreicher Erschütterung besteht wieder die beweisrechtliche Normallage (OLG München NJW-RR 2014, 601, 602).
4. Nach diesen Grundsätzen spricht gegen die Kl., anders als die Berufung meint (Bl. 190 d.A....