BGB § 241 Abs. 2 § 242 § 280 Abs. 1; VVG § 38 § 95 Abs. 1 § 96 Abs. 2 § 97
Leitsatz
1. Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks muss den Käufer grundsätzlich nicht ungefragt darüber unterrichten, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Gebäudeversicherung besteht; ebensowenig muss er ihn über eine nach Vertragsschluss erfolgte Beendigung einer solchen Versicherung informieren. Dies gilt auch dann, wenn eine Gebäudeversicherung nach der Verkehrsanschauung üblich ist.
2. Erklärt der Verkäufer dagegen vor oder bei Abschluss des Kaufvertrages, dass eine Gebäudeversicherung besteht, und wird das Versicherungsverhältnis vor Umschreibung des Eigentums beendet, trifft ihn in aller Regel die vertragliche Nebenpflicht, den Käufer hierüber unverzüglich zu unterrichten.
BGH, Urt. v. 20.3.2020 – V ZR 61/19
Sachverhalt
Mit notariellem Vertrag v. 3.2.2017 verkauften die Bekl. an die Kl. ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück unter Ausschluss der Sachmängelhaftung zu einem Kaufpreis von 350.000 EUR. In § 4 Nr. 1 des Vertrages heißt es:
"Der Besitz und die Nutzungen, die Gefahr und die Lasten einschließlich aller Verpflichtungen aus den den Grundbesitz betreffenden Versicherungen sowie die allgemeinen Verkehrssicherungspflichten gehen auf den Käufer mit über mit dem Tag der Kaufpreiszahlung, jedoch nicht vor dem 2.5.2017."
Mit Schreiben v. 5.4.2017 kündigte der VR die von den Bekl. unterhaltene Wohngebäudeversicherung mit Wirkung zum 10.5.2017. Hierüber informierten die Bekl. die Kl. nicht. Die Übergabe der Immobilie an die Kl. erfolgte am 11.4.2017. Nach Darstellung der Kl. erlitt das Dach des Hauses aufgrund eines Unwetters am 22.6.2017 einen Schaden, dessen Beseitigung Kosten von 38.386,65 EUR verursacht.
Das LG hat die Klage, mit der die Kl. Zahlung verlangt hat, abgewiesen. Die Berufung der Kl. vor dem OLG ist erfolglos geblieben.
2 Aus den Gründen:
"… 1. Im Ergebnis zu Recht legt das BG seiner Entscheidung unausgesprochen die Annahme zugrunde, dass der Kl. keine Schadensersatz- oder Minderungsansprüche nach §§ 437 ff. BGB wegen eines Sachmangels zustehen. (wird ausgeführt)"
2. Die Bekl. haften der Kl. auch nicht auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht.
a) Zutreffend geht das BG davon aus, dass die Bekl. nicht verpflichtet waren, das Gebäude nach der Kündigung im Interesse der Kl. gegen Unwetterschäden über den Zeitpunkt der Beendigung der Gebäudeversicherung (10.5.2017) hinaus neu zu versichern.
aa) Eine vertragliche Verpflichtung des Grundstücksverkäufers gegenüber dem Käufer zu einer Versicherung der Kaufsache besteht grundsätzlich nicht (vgl. Senat BGHZ 114, 34, 39 zur Versicherung gegen Brandschaden). Der Verkäufer ist – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen – auch nicht gehalten, eine im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages bestehende Gebäudeversicherung aufrechtzuerhalten bzw. nach Kündigung einer solchen Versicherung durch den VR eine neue Versicherung abzuschließen. Aus der Vorschrift des § 95 Abs. 1 VVG ergibt sich nichts Anderes.
(1) Wird die versicherte Sache von dem VN veräußert, tritt gem. § 95 Abs. 1 VVG an dessen Stelle der Erwerber in die während der Dauer seines Eigentums aus dem Versicherungsverhältnis sich ergebenden Rechte und Pflichten des VN ein. Gemeint ist mit der Veräußerung nicht das schuldrechtliche Verpflichtungs-, sondern das dingliche Verfügungsgeschäft. Bei Grundstücken erfordert die Veräußerung deshalb neben der Einigung die Grundbucheintragung (vgl. Senat ZfIR 2016, 843). Ab diesem Zeitpunkt ist der Käufer Vertragspartner des VR und selbst VN. Versicherungsschutz genießt er aber auch bereits vor diesem Zeitpunkt. Da dem Käufer eines Grundstücks in der Zeit zwischen Gefahrübergang und dem Eigentumserwerb durch Eintragung in das Grundbuch ein versicherbares – nach Zahlung des Kaufpreises sogar das alleinige – Sacherhaltungsinteresse zukommt, ist nach der st. Rspr. des BGH der mit dem Verkäufer bestehende Gebäudeversicherungsvertrag auch ohne ausdrückliche Regelung grundsätzlich dahingehend auszulegen, dass dieses (fremde) Interesse des Käufers darin mitversichert ist (vgl. BGH NJW-RR 2009, 1329).
(2) Daraus, dass der Käufer vor diesem Hintergrund ein Interesse daran hat, dass eine im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages bestehende Gebäudeversicherung aufrechterhalten bleibt, folgt jedoch keine entsprechende Pflicht des Verkäufers. Durch § 95 VVG soll der Erwerber zwar vor einer Versicherungsschutzlücke bewahrt werden (…). Die gesetzliche Anordnung des Übergangs soll aber lediglich verhindern, dass eine bestehende Versicherung infolge des Eigentumsübergangs und Wegfalls des Versicherungsinteresses des bisherigen VN verloren geht (…). Demgegenüber soll der Veräußerer nicht in seiner Dispositionsfreiheit beschränkt werden; er darf ein bestehendes Versicherungsverhältnis – vorbehaltlich anderer Abreden – jederzeit beenden, auch wenn er damit den Übergang der Versicherung nach § 95 VVG verhindert (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 30. Aufl., § 95 Rn 2, § 98 Rn 4...