Die Entscheidung des OLG Koblenz greift eine für den Betr. wesentliche Rechtsfrage und zugleich eine tatsächliche Problematik auf. Es wird zutreffend (vgl. dazu auch Krenberger, Praxistauglichkeit des Bußgeldverfahrens: Reformüberlegungen zu Verjährung und Rechtsbeschwerde, NZV 2020, 393 ff.) zwischen § 33 OWiG und § 66 OWiG unterschieden, was die Frage der Bestimmtheit der Tatbeschreibung und Auswirkungen von Ungenauigkeiten angeht. Die Prüfung nach § 66 OWiG obliegt dem Gericht, das sich für die Klärung ergänzender Fragen des übrigen Akteninhalts bedienen darf. Die Verjährungsunterbrechung adressiert hingegen den Betr., der aus dem Bescheid heraus erkennen können muss, was ihm wann und wo vorgeworfen wird. Eine ergänzende Heranziehung der Akte in einer ex-post-Betrachtung verbietet sich zur Klärung der Frage der Verjährungsunterbrechung. Leidet der Bußgeldbescheid also unter schwerwiegenden Mängeln, da eine exakte Angabe des Tatortes im Bußgeldbescheid nicht erfolgt ist und insofern eine Verwechslungsgefahr mit möglicherweise anderen Ordnungswidrigkeiten nicht ausgeschlossen werden kann, unterbricht seine Zustellung nicht die Verjährung i. S. d. § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG.
Ausgehend von dieser Prämisse, die das OLG Koblenz mustergültig umsetzt, geht es sodann um die tatsächliche Frage des Mangels und der Verwechslungsgefahr. Dabei wirft das OLG Koblenz auch den Charakter der Verkehrsordnungswidrigkeit als Massengeschäft in die Waagschale, sodass auch markante Punkte nahe der Messstelle zur Konkretisierung und zum Ausschluss einer Verwechslung ausreichen können. So weit, so gut. Aber welcher Maßstab wird dann angelegt? Muss ein Betr. sich mit dem Bußgeldbescheid (quasi doch wieder ergänzend) ins Internet begeben, um sich anhand der rudimentären Ortsbezeichnung ein besseres Bild machen zu können, wo er gemessen worden sein soll? Oder ist er hierzu gerade nicht verpflichtet, sondern ist für den Erkenntnisgewinn einzig auf den Bußgeldbescheid beschränkt? Leider verhält sich die Entscheidung des OLG Koblenz zu dieser Frage nicht, wenngleich abzusehen ist, dass die betroffenenfreundliche Variante wohl eher wenig Widerhall in der obergerichtlichen Rechtsprechung finden wird. Damit bleibt die Unfähigkeit eines Bußgeldbescheids die Verjährung zu unterbrechen auf eklatante Mängel beschränkt.
Dass das Erstgericht schon den Anhörungsbogen als ungeeignet zur Verjährungsunterbrechung angesehen hat, ist folgerichtig. Die fehlerhafte Angabe der Tatumstände muss als ein Kriterium angesehen werden, das eine Verjährungsunterbrechung i.S.d. § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG verbietet. Dies muss notfalls nach retrospektiver Prüfung nach erhaltener Akteneinsicht des Verteidigers gerügt werden, denn der Anhörungsbogen muss dem Betr. ja nicht einmal zugehen und kann, in diesem Fall, auch zuerst keine Verwechslung auslösen. Die retrospektive Rüge schadet aber nicht. Denn auch andere Unterbrechungstatbestände werden hinsichtlich ihrer Wirksamkeit dem Betr. erst im Nachhinein bekannt und sind auch dann erst überprüfbar.
Interessant ist noch ein Blick auf die verfahrensrechtliche Vorgehensweise des Gerichts. Denn dank dieser kam es überhaupt zur eigentlich gar nicht vorgesehenen Rechtsbeschwerde und einer Entscheidung des OLG.
Liegt ein Verfahrenshindernis vor, kann das Verfahren zwar durch Prozessurteil eingestellt werden (§ 260 Abs. 3 StPO). Im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG kommt dies aber nur dann in Betracht, wenn das Verfahrenshindernis erst nach dem Hinweis gem. § 72 Abs. 1 S. 2 OWiG und Übergang in das schriftliche Verfahren hervortritt (KK-OWiG/Senge, § 72, Rn 64). Die Verfahrenseinstellung ist nur dann und auch nur für die StA – so wie hier geschehen – mit der Rechtsbeschwerde angreifbar (BeckOK StVR/Lay, § 72 OWiG, Rn 121). Außerhalb des Beschlussverfahrens wird das Verfahren jedoch bei vor dem Übergang in das schriftliche Verfahren festgestellten Verfahrenshindernissen gem. § 206a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG eingestellt. Dieser Beschluss wäre hier eigentlich geboten gewesen und wäre dann auch (nur) mit der sofortigen Beschwerde zum LG, nicht mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar gewesen (Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, § 72, Rn 54).
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 7/2021, S. 412 - 414