"… III. 1. Die Fahrt des Angeklagten im Ortskern im Bereich der Straßen (…) und S.-Straße stellt sich nicht als verbotenes Kraftfahrzeugrennen i.S.d. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB dar, der tatbestandlich voraussetzt, dass sich der Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Denn diese Tatbestandsvariante erfasst nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 18/12964, S. 5) diejenigen Fälle, in denen nur ein einziges Fahrzeug objektiv und subjektiv ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt. Hier ist es jedoch so, dass sich der Angeklagte und die ihn verfolgenden Polizeibeamten tatsächlich unter Beteiligung zweier Fahrzeuge ein Rennen lieferten, nämlich durch seine Flucht bei gleichzeitiger Verfolgung durch die Polizei."
Diese Fälle der sogenannten Polizeiflucht erfüllen nach Auffassung der Kammer die Tatbestandsvariante der Teilnahme an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen i.S.d. § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB. Denn die Polizeiflucht ist – wie in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt ist, ohne allerdings die Konsequenz der Anwendung des § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB in diesen Fällen zu ziehen – als Wettbewerb oder Leistungsprüfung einzustufen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.7.2019 – 4 Rv 28 Ss 103/19, Rn 12, juris). Sie ist von einem spezifischen Renncharakter geprägt, in dem sich gerade die in der Gesetzesbegründung genannten besonderen Risiken wiederfinden, auch wenn das Ziel des Wettbewerbs hier nicht im bloßen Sieg, sondern in der gelungenen Flucht liegt. Die risikobezogene Vergleichbarkeit mit den sportlichen Wettbewerben liegt dabei auf der Hand (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn 15, juris; zustimmend OLG Köln, Urt. v. 5.5.2020 – III-1 RVs 45/20, Rn 21, juris).
An diesem Rennen hat der Angeklagte auch teilgenommen, weil eine Teilnahme nicht eine vorherige Absprache oder Organisation oder eine bestimmte gefahrene Strecke erfordert (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 13.3.2018 – 5 RB 2/18, BeckRS 2018, 13170, Rn 4). Sie ist nicht im Sinne der Bestimmungen des Allgemeinen Teils des StGB – etwa im Sinne von Anstiftung oder Beihilfe – auszulegen. Erfasst ist vielmehr jede “Tätigkeit derjenigen Kraftfahrzeugführenden, die untereinander den Geschwindigkeitswettbewerb austragen' (BT-Drucks, a.a.O. S. 5).
Der Wortlaut der Strafvorschrift, die auf die Erfassung aller denkbaren Ausprägungen eines Kraftfahrzeugrennens abzielt (BT-Drucks a.a.O., S. 6), fordert hierbei nicht, dass alle Teilnehmer unerlaubt handeln. Vielmehr erhält die Tat ihr rechtswidriges Gepräge bereits durch das rechtswidrige Handeln des Angeklagten, der sich unter Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit innerhalb der geschlossenen Ortschaft und der Missachtung der – spätestens durch Einschaltung von Martinshorn und Blaulicht erkennbaren – Aufforderung der Polizeibeamten zum Anhalten mit dem Ziel fortbewegte, schneller als die Polizei zu sein. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Polizeibeamten durch Beschleunigung des Funkstreifenwagens auf bis zu 130 km/h selbst rechtswidrig handelten, etwa weil mit dieser Geschwindigkeit eine nicht mehr hinnehmbare Betriebsgefahr verbunden war.
Diese Wertung findet in der zivilrechtlichen Rechtsprechung der sog. Herausforderungsfälle eine Stütze: Danach haftet der Fahrer eines Kraftfahrzeuges, der sich der polizeilichen Festnahme durch Flucht unter Verwendung seines Kraftfahrzeuges entzieht, unter dem Gesichtspunkt des Herausforderns verschuldensabhängig nach § 823 Abs. 1 BGB für einen bei der Verfolgung eintretenden Sachschaden an den ihn verfolgenden Polizeifahrzeugen (BGH, Urt. v. 31.1.2012 – VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261-269), weil der Fliehende durch vorwerfbares Tun einen anderen zu selbstgefährdendem Verhalten herausfordert, dessen Willensentschluss auf einer mindestens im Ansatz billigenswerten Motivation beruht, so dass der Schaden zu ersetzen ist, der infolge des durch die Herausforderung gesteigerten Risikos entstanden ist (BGH, a.a.O., Rn 8). Flucht und Verfolgung werden (auch) hier haftungsrechtlich zu einem von der Rechtsordnung missbilligten Lebenssachverhalt verknüpft.
2. Der Angeklagte hat in der Straße E. durch die Annäherung an die Zeugin K. und bei deren Passieren hingegen nicht den Tatbestand einer (fahrlässigen) Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. d) StGB erfüllt.
Hierbei kann dahinstehen, ob es sich bei dem geradeausführenden Teilstück der Straße, an dessen Ende die Passantin K. auf dem Bürgersteig ging, um eine unübersichtliche Stelle i.S.d. § 315c Abs. 1 StGB handelte, an der der Angeklagte zu schnell gefahren ist.
Denn jedenfalls ist nicht feststellbar, dass es zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert gekommen ist. Beim Vorbeifahren des Angeklagten an der Passantin war diese bereits auf der rechten Seite des rechtsführenden Bürgersteiges, auf dem sie links neben sich ihren Hund führte. Die vom Ange...