[…]
2 Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
[3] Die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) im Fall II.2. der Urteilsgründe ist rechtsfehlerfrei. Nach den Feststellungen führte der Angeklagte den zuvor entwendeten "E-Scooter der Marke Ancheer" im Rahmen einer "Probefahrt" auf einem öffentlichen Geh- und Radweg. Eine ihm ungefähr 75 Minuten nach Fahrtende entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,29 ‰. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht allein aus diesem Wert, der mangels eines Nachtrunks auch für den Fahrtzeitraum mindestens zugrunde gelegt werden konnte, auf die – absolute – Fahruntüchtigkeit des Angeklagten geschlossen.
[4] Nach der Rechtsprechung des BGH gilt der Grenzwert, von dem an eine absolute Fahruntüchtigkeit unwiderleglich indiziert ist, für alle Kraftfahrer (BGH, Beschl. v. 28.6.1990 – 4 StR 297/90, BGHSt 37, 89, 99), insbesondere auch für Fahrer von Krafträdern (BGH, Beschl. v. 14.3.1969 – 4 StR 183/68, BGHSt 22, 352, 360) einschließlich Fahrräder mit Hilfsmotor (Mofa) (BGH, Beschl. v. 29.10.1981 – 4 StR 262/81, BGHSt 30, 251, 254). Ob an dieser pauschalen Betrachtung auch mit Blick auf die neu aufgekommene Fahrzeugklasse der Elektrokleinstfahrzeuge festgehalten werden kann, hat der Senat bisher offengelassen (BGH, Beschl. v. 2.3.2021 – 4 StR 366/20, NStZ 2021, 608).
[5] Die Frage, die das LG im Anschluss an die soweit ersichtlich einhellige obergerichtliche Rechtsprechung (KG, Beschl. v. 31.5.2022 – (3) 121 Ss 40/22 (13/22); KG, Urt. v. 10.5.2022 – (3) 121 Ss 67/21 (27/21), juris Rn 16 ff.; OLG Hamburg, Urt. v. 16.3.2022 – 9 Rev 2/22, BeckRS 2022, 10351 Rn 19; BayObLG, Beschl. v. 24.7.2020 - 205 StRR 216/20) bejaht hat, bedarf auch hier keiner Entscheidung. Denn nach den Feststellungen handelte es sich bei dem vom Angeklagten geführten "E-Scooter" nicht um ein Elektrokleinstfahrzeug. Dies ergibt sich, ohne dass es weiterer Feststellungen zu der technischen Beschaffenheit des Fahrzeugs bedurft hätte, bereits daraus, dass dieses eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h erreichen konnte, wohingegen Elektrokleinstfahrzeuge gemäß § 1 Abs. 1 eKFV nur solche Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb sind, deren bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h beträgt. Da das Fahrzeug ausweislich der im Urteil in Bezug genommenen Lichtbilder keine Pedale aufwies, scheidet auch seine Klassifizierung als sog. "Pedelec" und damit als Fahrrad des Straßenverkehrszulassungsrechts (§ 63a Abs. 2 StVZO) aus.
[6] Im Ergebnis ist daher zweifelsfrei belegt, dass der Angeklagte ein Kraftfahrzeug führte, für das der Grenzwert von 1,1 ‰ Geltung beansprucht, und angesichts seiner festgestellten Blutalkoholkonzentration daher fahruntüchtig war.
zfs 7/2023, S. 407 - 408