OWiG § 17 Abs. 4
Leitsatz
1. Das mit § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG verwirklichte Nettoprinzip gebietet es, von den durch die Tat erlangten wirtschaftlichen Zuwächsen die Kosten und Aufwendungen des Betroffenen abzuziehen. Abzugsfähig sind diejenigen Aufwendungen, die durch den Erwerbsvorgang veranlasst bzw. im unmittelbaren Zusammenhang mit der zu ahndenden Tat entstanden sind. Erforderlich sind im Rahmen einer nur groben Schätzung nachprüfbare einschlägige Angaben in den Urteilsgründen.
2. Dem Abzug steht es grundsätzlich nicht entgegen, dass die Aufwendungen zu einem rechtlich missbilligten Zweck erfolgten. Allein aus der Unzulässigkeit des Verhaltens – hier: der Überschreitung der zulässigen Länge und Höhe des Fahrzeugs – folgt noch kein Abzugsverbot. An seiner abweichenden Auslegung hält der erkennende Senat im Lichte der Rechtsprechung des 5. Strafsenats des BGH im Beschl. v. 27.4.2022 (5 StR 278/21, NZWiSt 2022, 410) nicht mehr fest (Aufgabe von OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.3.2022 – 3 Ss-OWi 1439/21).
OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.3.2023 – 3 ORbs 8/23
1 Sachverhalt
Das Regierungspräsidium legte der Betroffenen mit Bußgeldbescheid eine Geldbuße in Höhe von 2.900,00 EUR wegen zweier tateinheitlicher Handlungen des Anordnens bzw. Zulassens der Inbetriebnahme einer Fahrzeugkombination trotz Überschreitung der zulässigen Länge sowie trotz Überschreitung der zulässigen Höhe (§§ 24 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 5 StVG i.V.m. §§ 69a Abs. 5, 31 Abs. 2, 32 Abs. 1, 2, 3, 4, 31d Abs. 1 StVZO) auf. Die Betroffene erhob gegen den Bescheid einen auf die Rechtsfolge beschränkten Einspruch. Auf diesen Einspruch hin hat das AG mit Beschluss die Geldbuße in Höhe von 2.900,00 EUR bestätigt. Das OLG Frankfurt hat auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hin den angefochtenen Beschluss des AG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
[…] II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Der Beschluss des AG hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das AG hat im Rahmen der – nach wirksamer Beschränkung des Rechtsmittels zur Prüfung des Senats stehenden – Rechtsfolgenbestimmung zu Unrecht angenommen, vom Halter gemachte Aufwendungen seien nicht in Abzug zu bringen.
a) Nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG soll die Geldbuße den aus der Ordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteil übersteigen. Der Wortlaut gebietet grundsätzlich eine Saldierung. Es gilt das Nettoprinzip. In diesem Rahmen sind von den durch die Tat erlangten wirtschaftlichen Zuwächsen die Kosten und Aufwendungen des Betroffenen abzuziehen (BGH, Beschl. v. 8.12.2016 – 5 StR 424/15, StV 2018, 43 [Ls. 2]). Maßgeblich ist ein Vergleich der wirtschaftlichen Position vor und nach der Tat (KK-OWiG/Mitsch, 5. Aufl. 2018, OWiG § 17 Rn 118).
aa) Die konkrete Abzugsfähigkeit ist dabei stets anhand des Einzelfalls zu bestimmen (BGH, Beschl. v. 27.4.2022 – 5 StR 278/21, NZWiSt 2022, 410, 414 Tz. 38 a.E.). Abzugsfähig sind unter dem Nettoprinzip diejenigen Aufwendungen, die durch den Erwerbsvorgang veranlasst bzw. im unmittelbaren Zusammenhang mit der zu ahndenden Tat entstanden sind (BayObLG, NStZ-RR 2022, 217, 219; KK-OWiG/Mitsch a.a.O., § 17 Rn 120). Hypothetische Gewinne, etwa aus der Fortsetzung legalen Verhaltens, bleiben dabei allerdings außer Betracht, ebenso mögliche Erstattungsansprüche Dritter (BGH, Beschl. v. 8.12.2016 – 5 StR 424/15, wistra 2017, 242, 243 f. Tz. 4; Krenberger/Krumm OWiG, 7. Aufl. 2022, 30 Rn 42; KK-OWiG/Rogall a.a.O., § 30 Rn 141).
bb) Dies berücksichtigt das angefochtene Urteil nicht in dem rechtlich gebotenen Umfang, indem es die Abzugsfähigkeit der durch die Tat veranlassten Aufwendungen gänzlich versagt. Insoweit bedarf es weiterer tatrichterlicher Aufklärung. Soweit nur Feststellungen zu dem mit der Fahrt erzielten Umsatz möglich sind, ist eine darauf gestützte Berücksichtigung des mit der Fahrt insgesamt erzielten wirtschaftlichen Vorteils zulässig. Erforderlich sind im Rahmen einer groben Schätzung, an die keine überspannten Anforderungen zu stellen sind, nachprüfbare Angaben in den Urteilsgründen (vgl. zum Vorgehen BGH, Beschl. v. 27.4.2022 – 5 StR 278/21, NZWiSt 2022, 410, 413 ff. Tz. 27, 36 u. 44).
b) aa) Dem steht es grundsätzlich nicht entgegen, dass die Aufwendungen zu einem rechtlich missbilligten Zweck erfolgten. Allein aus der Unzulässigkeit des Verhaltens – hier: der Überschreitung der zulässigen Länge und Höhe des Fahrzeugs – folgt nach der vorzitierten neueren Rechtsprechung des BGH (Beschl. vom 27.4.2022 – 5 StR 278/21, NZWiSt 2022, 410, 414 Tz. 40 m. zust. Anm. Reichling/Borgel, wistra 2022, 390, 391) noch kein Abzugsverbot. An seiner abweichenden Auslegung für eine mit der hiesigen vergleichbaren Fallkonstellation im Beschl. v. 1.3.2022 (3 Ss-OWi 1439/21) hält der Senat nach erneuter Sachprüfung im Lichte der vorzitierten Rechtsprechung des 5. Strafsenats des BGH nicht mehr fest. Einen Abzug von Aufwendungen auszuschließen, soweit diese "gänzlich unzulässig" waren, hieße, den gesetzlich bestimmten Maßstab zu verändern (BGH, Beschl. vom 27.4.2022 – 5 StR 278/21, NZWiSt...