2. Zu Recht hat das LG festgestellt, dass die bei der Bekl. zuletzt unter der Vers.-Nr. … unterhaltene Vorversicherung nach dem mit Schreiben vom 3.6.2019 erklärten, jetzt als wirksam anzusehenden Rücktritt der Bekl. unverändert fortbesteht. Denn dieser Rücktritt hat bei sachgerechter Auslegung der von den Parteien getroffenen Vereinbarungen auch die – formal freilich im Wege der Kündigung herbeigeführte – Beendigung des früheren Vertrages in Wegfall gebracht. …
a) Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung zunächst in Erwägung gezogen, dass der ursprünglich zum 1.12.2003 geschlossene … Versicherungsvertrag im Jahre 2017 nicht vollständig aufgehoben und durch den am 9.5.2017 policierten Vertrag … ersetzt worden, sondern lediglich abgeändert worden sei, und der Rücktritt schon deshalb nur diese Neuregelung erfasst habe. Denn der Rücktritt von einem Abänderungsvertrag berühre nur diejenige Willenserklärung, deren Abgabe durch einen Willensmangel beeinflusst worden sei, also nur die zur Abänderung des bisherigen Vertrages führende Verlängerung. Das folge daraus, dass ein unterschiedliche Regelungen enthaltendes Rechtsgeschäft, das nur in Teilen von einer Falschangabe beeinflusst worden sei, auch nur insoweit unwirksam sein solle, weil das Rücktrittsrecht deren nachteilige Folgen ungeschehen machen, nicht aber ein allgemeines Reuerecht des Getäuschten begründen wolle. Nichts anderes ergebe sich aber auch dann, wenn man von einem Neuabschluss im Jahre 2017 ausgehe, weil der dann vorliegende Rücktritt vom gesamten (neuen) Versicherungsvertrag auch die weiteren Parteiabreden, d.h. insbesondere die darin enthaltene "Ersetzung" des früheren Versicherungsvertrages durch den neuen Vertrag mit erfassen würde. Beide Vereinbarungen seien nämlich durch den erklärten Willen der Parteien derart zu einem einheitlichen Geschäft miteinander verbunden, dass die Gültigkeit des einen Rechtsgeschäfts von der des anderen abhängen solle. Infolgedessen habe der von der Bekl. wirksam ausgeübte Rücktritt nicht nur den (neuen) Vertrag erfasst, sondern auch den damit verbundenen Aufhebungsvertrag in Wegfall gebracht.
b) Der Senat hält diese Begründung, … für richtig.
Der von der Berufung hervorgehobene – rein formale – Gesichtspunkt, wonach die Kl. den früheren Vertrag durch eine wirksame "Kündigung" beendet habe, kann bei zutreffender Betrachtung nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier nach dem erkennbaren Parteiwillen (§§ 133, 157 BGB) tatsächlich gerade keine einseitige Beendigung des bisherigen Versicherungsvertrages gewollt war, sondern vielmehr seine einvernehmliche Aufhebung und unmittelbar daran anschließende Ersetzung durch einen neuen Vertrag mit vermeintlich "besseren" Bedingungen. Deshalb ist es völlig zutreffend, wenn das LG annimmt, dass die augenscheinlich in die Form einer "Kündigung" gekleidete Aufhebung des früheren Versicherungsvertrages mit dem an seine Stelle tretenden neuen Vertrag "stehen und fallen" sollte und der am 3.6.2019 erklärte Rücktritt der Bekl. vom (neuen) Versicherungsvertrag auch die Unwirksamkeit dieser weiteren Vereinbarung zur Folge hatte, so dass der bisherige … Versicherungsvertrag dadurch wieder auflebte:
aa) Es ist anerkannten Rechts, dass bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist (§ 133 BGB). Dabei ist für die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen zwar grundsätzlich der objektive Empfängerhorizont maßgeblich; danach sind insbesondere auch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte von seinem Empfängerhorizont aus verstehen musste (§§ 133, 157 BGB; …). Innerhalb dieses normativen Rahmens kommt es darauf an, was der Erklärende gewollt und inwieweit er seinen Willen für den Erklärungsempfänger erkennbar zum Ausdruck gebracht hat. Der Empfänger darf der Erklärung dabei nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen, sondern muss unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüfen, was der Erklärende gemeint hat; das gilt insbesondere dann, wenn erkennbar eine von zwei möglichen Auslegungen für den Erklärenden wirtschaftlich wenig Sinn macht (BGH VersR 2008, 1054). Zudem verbietet es § 133 BGB, eine rechtsgeschäftliche Regelung gegen den tatsächlichen oder den erklärten Willen einer Partei nach rein objektiven Gesichtspunkten auszulegen: Besteht ein übereinstimmender Wille der Parteien, so ist dieser rechtlich auch dann maßgeblich, wenn er in dem Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat. Das übereinstimmend Gewollte hat den Vorrang vor einer irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung …
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist jedoch nicht zweifelhaft, dass die Parteien, unbeschadet der formal abweichenden Bezeichnung in den von ihnen abgegebenen Erklärungen, hier in Wahrheit eine einvernehml...