In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit, dass der Geschädigte jedenfalls dann einen Anspruch gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer auf Ersatz des in der Rechnung der Werkstatt ausgewiesenen – möglicherweise überhöhten – Betrags hat, wenn er die Reparaturrechnung bereits vollständig beglichen hat. Die bezahlte Rechnung ist zwar auch nach der Rechtsprechung nur ein Indiz für die aus der ex ante-Sicht zu bestimmende Erforderlichkeit der Aufwendungen i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Da der Schädiger das Werkstattrisiko trägt, kommt eine abweichende Beurteilung aber nur in Betracht, wenn die berechneten Preise – für den Geschädigten erkennbar – erheblich über den üblichen Preisen liegen.[64]

Hat der Geschädigte die Rechnung der Werkstatt noch nicht bezahlt, so soll der Rechnung als solcher keine Indizwirkung zukommen. Zur Begründung wird auf die Rechtsprechung des VI. Zivilsenats zur Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten verwiesen,[65] die in der Tat eine solche Differenzierung enthält.[66] Der innere Grund für diese Differenzierung liegt darin, dass die Indizwirkung nicht auf dem vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Betrag als solchem, sondern auf dem vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung tatsächlich erbrachten Aufwand liegt.[67] Bei einer unbezahlten Rechnung soll es daher auch im Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger sowie dessen Haftpflichtversicherer möglich sein, die geltend gemachten Positionen im Einzelnen auf ihre objektive Erforderlichkeit hin zu überprüfen.[68] Dies steht aber unter dem Vorbehalt, dass der Geschädigte keine anderen konkreten Anhaltspunkte für den erforderlichen Herstellungsaufwand beibringt. In Betracht kommt etwa eine Zahlungspflicht aufgrund einer wirksamen Preisvereinbarung. Da die spezifische Situation des Geschädigten auch hier zu berücksichtigen ist,[69] bleibt es bei der subjektiven Schadensbetrachtung. Das Werkstattrisiko wird also nicht auf den Geschädigten verlagert.[70]

[65] Kemperdiek r+s 2021, 372 (374).
[68] Exter VersR 2022, 729 (730).
[70] Sehr klar hierzu Engel DAR 2022, 552 (553); a.A. de Biasi NZV 2021, 113 (114) und Balke SVR 2023,15 (18), wonach der Geschädigte sich bei unbezahlter Rechnung nicht auf das Werkstattrisiko berufen kann; ähnlich Exter VersR 2022, 729 (730).

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