VVG § 100; AHB § 4 I 6 B)
Leitsatz
Verursacht ein VN in Abwesenheit seiner als Hausmeisterin angestellten Ehefrau bei vertretungsweiser Übernahme ihrer Tätigkeit einen Schaden, so besteht in der privaten Haftpflichtversicherung Deckung.
OLG München, Beschl. v. 18.4.2023 – 25 U 3508/22
1 Sachverhalt
Der Kl. begehrt von der Bekl. Deckungsschutz aus einem zwischen den Parteien bestehenden privaten Haftpflichtversicherungsvertrags für einen von ihm verursachten Schaden.
Das LG hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass die Bekl. verpflichtet ist, dem Kl. den begehrten bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren.
Die Bekl. möchte mit der Berufung die Abweisung der Klage erreichen.
2 Aus den Gründen:
Die Berufung gegen das Urteil des LG ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen …
1. Mit der Gegenerklärung verweist die Bekl. erneut darauf, dass das Anschweißen des Rades, das zum Schaden geführt hat, aus ihrer Sicht eine berufliche Tätigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen dargestellt habe und daher vom Versicherungsschutz ausgeschlossen gewesen sei. Neue Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen würden, zeigt die Gegenerklärung nicht auf, sondern vertieft nochmals die bereits vorgebrachten Aspekte. Der Senat verbleibt … bei seiner Auffassung, dass der vorliegende Schadensfall vom Ausschluss in § 4 I 6. B) AHB bzw. III 1. BVR 004 nicht erfasst war. Die Klauseln sind dabei so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher VN bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss BGHZ 123, 83, 85). Ausschlussklauseln sind dabei grundsätzlich eng auszulegen. Ein durchschnittlicher VN konnte die Klauseln in § 4 I 6. B) AHB bzw. III 1. BVR 004 nicht so verstehen, dass eine berufliche Tätigkeit auch dann vorliegt, wenn der VN – wie im vorliegenden Einzelfall –, ohne selbst angestellt zu sein, in Abwesenheit seiner als Hausmeisterin angestellten Ehefrau, auf dem auch selbst bewohnten Anwesen Blätter wegsaugen bzw. ein Rad an den vorhandenen Laubsauger schweißen wollte. Der übliche Fall einer beruflichen Tätigkeit lag gerade nicht vor, da der Kl. selbst nicht mehr als Hausmeister angestellt oder selbstständig tätig war. Eine vertragliche Verpflichtung des Kl. zur Ausübung von Hausmeistertätigkeiten bestand nicht. Unabhängig davon, ob ein solches vorliegend anzunehmen wäre, musste ein durchschnittlicher VN nicht damit rechnen, dass auch Tätigkeiten im Rahmen eines faktischen Arbeitsverhältnisses vom Versicherungsschutz ausgenommen wären. Im vorliegenden Fall besteht überdies die Besonderheit, dass die Hausmeistertätigkeiten – wie z.B. auch das hier beabsichtigte das Laubsaugen – gerade keine Tätigkeiten darstellen, die schon von ihrer Art her typischerweise einem Beruf zuzuordnen wären, sondern dass es sich dabei um Alltagstätigkeiten handelt, die auch Besitzer von kleineren Eigenheimen (ohne Hausmeister) üblicherweise ausführen. Auch aus dem Aspekt heraus, dass der vorgesehene Ausschluss für berufliche Tätigkeiten dem Zweck dient, dass der VR nicht zusätzlich für Risiken einer beruflichen Tätigkeit haften möchte, drängte sich für die im vorliegenden Einzelfall ausgeübten Tätigkeiten nicht auf, dass eine Haftung nicht übernommen werden sollte. Für das Anschweißen des Rades hat der Kl. zwar seine beruflichen Kenntnisse genutzt, allerdings solche aus der Zeit noch vor seiner Anstellung als Hausmeister. Kleinere Schweißarbeiten sind darüber hinaus heute auch im privaten Bereich nicht mehr ungewöhnlich.
2. Auch zur Frage der von der Bekl. behaupteten Obliegenheitsverletzung … verbleibt der Senat bei seiner Auffassung. In der Schadensmeldung ist keinerlei falsche Angabe ersichtlich. Aber auch die Angaben im Fragebogen sind nicht als falsch einzustufen. Dort wurde gefragt: "Wer vertritt Ihre Frau als Hausmeisterin?" und außerdem "Wer vertrat sei am Schadentag?". Beide Fragen hat der Kl. mit dem Wort "niemand" beantwortet. Dies ist zutreffend, da eine Vertretung der Frau des Kl. als Hausmeisterin vertraglich nicht vereinbart war. Da die Fragen jedenfalls auch so verstanden werden konnten, dass damit eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Vertretung gemeint war, sind die Angaben jedenfalls nicht als vorsätzlich oder grob fahrlässige Falschangabe zu werten.
Die Angaben in der Klageschrift kommen für eine Obliegenheitsverletzung nicht mehr in Betracht. Diese erfolgten, nachdem die Bekl. die Deckung bereits abgelehnt hatte. Mit der Ablehnung endet jedoch die Aufklärungs- und Auskunftsobliegenheit des VN (BGH NJW 2013, 1883 …).
zfs 7/2024, S. 388 - 389