Die Diskussion über die Nutzung der Mautdaten für andere Zwecke als für die Mauterhebung wird relativ lautstark geführt. Ganz anders, von einer allgemeinen Öffentlichkeit wenig beachtet, unauffällig, verlief eine andere den Kraftfahrer betreffende Rechtsentwicklung, nämlich die um sein Bild im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit.
Vor etwa einem Vierteljahrhundert versuchte das Bundesverfassungsgericht im sog. Volkszählungsurteil, dem Datenhunger des Staates Grenzen zu setzen – das Jahr 1984 stand vor der Tür und der Name Orwell war in aller Munde. Voraussetzungen, Zweck und Grenzen der Erhebung und Verwendung persönlicher Daten des Bürgers müssten um seiner Freiheit willen durch den Gesetzgeber geregelt werden. Das führte zu einer Vielzahl juristischer Kontroversen über verschiedene polizeiliche Ermittlungsmethoden. Dem setzte der Gesetzgeber im Jahre 2000 durch das sog. StVÄG 99 ein Ende, in welchem er bestimmte, den Ermittlungsbehörden sei alles erlaubt, was nicht ausdrücklich gesetzlich verboten ist, §§ 161, 163 StPO.
Damit steht nun gewiss außer Zweifel, was vor einem guten halben Jahrhundert noch ein Obergericht klären musste – die Zulässigkeit heimlicher Verkehrskontrollen nämlich. Ein Problem solcher Überwachung durch "Radarfallen" indes verblieb, dasjenige der Identifizierung des auf dem Radarfoto abgebildeten Fahrers. Als allein rechtlich unproblematischer Weg war der der klassischen polizeilichen Suche offen; ein Polizeibeamter musste beim Fahrzeughalter nachforschen, wer die auf dem Bild abgelichtete Person war – das kostete nicht nur Arbeitskraft sondern auch Zeit, und beides ist bei der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten knappes Gut.
Als Alternative bot sich zwar der einfachere Weg des Abgleichs mit den Lichtbildern des Halters und evtl. seiner Angehörigen an, die bei den Meldebehörden vorhanden sind. Ein Zugriff auf diese war jedoch auch nach dem Erlass des StVÄG 99 nicht zulässig, weil nach § 21 PassG a.F. wie nach § 2a des Personalausweisgesetzes a.F. die Verwendung dieser Daten einem Verwendungsverbot unterlag: Auch im Rahmen des für die Erfüllung ihrer Aufgaben Notwendigen durften andere Behörden auf diese Meldedaten für ihre melderechtsfremden Zwecke aus Gründen des Datenschutzes nur dann zugreifen, wenn sie diese Daten sonst nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand hätten erlangen können. Dazu hatte das OLG Frankfurt im Jahre 1997 zu Recht festgestellt, von einem solchen unverhältnismäßigen Aufwand könne bei der einfachen Ermittlung über den bekannten Halter nicht die Rede sein. Alle mit solchen Fällen befassten Obergerichte indes ließen auf eine solche Informationsbeschaffung kein Verwertungsverbot folgen. Diese "Sanktionslosigkeit" des Verstoßes dürfte dazu geführt haben, dass ein entsprechendes Vorgehen der Verfolgungsbehörden üblich wurde. Im Zuge der 2007 in Kraft getretenen Änderung des Pass- und des Personalausweisgesetzes jedenfalls hieß es im Entwurf der Bundesregierung, bislang sei die Übermittlung der Lichtbilder überwiegend per Post oder Telefax erfolgt, und von "Zweifeln" "in der Praxis" wird lediglich im Hinblick auf die elektronische Form der Übermittlung berichtet, nicht was das Ob der Übermittlung betrifft. Der Abgeordnete Hofmann äußerte sich in der 100. Sitzung des Bundestages, die Lichtbildübermittlung an die Verfolgungsbehörden in Verkehrsordnungswidrigkeitensachen habe es "schon immer" gegeben.
Bis hierhin gilt es zweierlei festzuhalten: Die Verfolgungsbehörden lassen sich von einer effektiven Praxis nicht dadurch abhalten, dass diese obergerichtlich lediglich als rechtswidrig qualifiziert wird; und: Eine solche Praxis zieht eine Legalisierung nach sich, nicht etwa eine deutliche Gegenmaßnahme durch den Gesetzgeber.
Der Gang des Gesetzgebungsverfahrens ist ebenfalls lehrreich. Der Entwurf der Bundesregierung sah nur für die wegen der kurzen Verjährungsfrist unter besonderem Zeitdruck stehenden Ermittlungen bei Verkehrsordnungswidrigkeiten den Online-Zugriff auf die Bilder der Meldebehörden vor. Immerhin noch im Gesetzgebungsverfahren wurde diese Einengung auf Intervention des Bundesrates aufgegeben und der Zugriff auch für Ermittlungen in Strafsachen erlaubt – "um Wertungswidersprüche zu vermeiden". (Man kann sich unschwer vorstellen, wie ein solcher Zugriff sonst in der Praxis erreicht worden wäre. Nur am Rande: Angesichts der langen Verjährungsfristen in Strafsachen ist der "Wertungswiderspruch" einerseits so klar keineswegs, andererseits war die Behauptung eines solchen gleichwohl erwartbar – man kann hier durchaus den Eindruck gewinnen, dass die Beschränkung auf Verkehrsordnungswidrigkeiten politisch gleichsam als Türöffner dienen sollte.)
Von Seiten des Datenschutzes wurde gewarnt, der Online-Zugriff auf sämtliche dezentralen Lichtbilddateien eröffne praktisch dieselben Möglichkeiten wie eine zentrale Lichtbilddatei sämtlicher Bürger. Solchen Bedenken wurde Rechnung get...