BGB § 823
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AG Wiesbaden, Urt. v. 15.5.2008 – 92 C 4538/97 – 28
Sachverhalt
Eine Straßenbaufirma hatte im Baustellenbereich auf einer Autobahn ein Warnschild aufgestellt, das bei einem auftretenden Sturm auf das Fahrzeug des Klägers geschleudert wurde und die Motorhaube beschädigte. Das AG sah in der unterbliebenen Sicherung des Warnschildes trotz angezeigter Sturmgefahr mit einer voraussichtlichen Windstärke von 8 Beaufort eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten und sprach dem Kläger einen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten hinsichtlich der beschädigten Motorhaube zu.
Aus den Gründen
“Dem Kläger steht ein Schadenersatzanspruch gem. § 823 BGB in tenorierter Höhe hinsichtlich des Schadens zu, der ihm dadurch entstanden ist, dass ein von der Beklagten zuvor aufgestelltes Baustellenverkehrsschild sturmbedingt auf das streitgegenständliche Fahrzeug gefallen war und dies beschädigt hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die streitgegenständlichen Beschädigungen des Fahrzeuges des Klägers durch dieses Verkehrsschild entstanden sind. Die Zeugin hat nachvollziehbar bekundet, dass ein umherfliegendes Verkehrsschild auf der Motorhaube des Fahrzeuges ihres Mannes aufgeprallt ist. Der Zeuge konnte sich zwar nicht mehr an Einzelheiten des Vorganges erinnern, jedoch konnte sie den entscheidungserheblichen Tatsachenkern präzise bekunden. Die Beklagte ist für diesen Schaden auch wegen der Verletzung von ihren obliegenden Verkehrssicherungspflichten verantwortlich.
Das Gericht verkennt nicht, dass eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist. Es geht vielmehr um die Risikoverteilung zwischen dem Sicherungspflichtigen und der gefährdeten Partei, d.h. darum, welche Sicherheit diese Person in der jeweiligen Situation erwarten darf und mit welchen Risiken sie rechnen muss und welche ihr abgenommen werden müssen.
Der Verkehrssicherungspflichtige muss deshalb nicht für alle denkbaren entfernten Möglichkeiten des Schadensereignisses Vorsorge treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen des Falles zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind.
Nach Auffassung des Gerichts kann sich die Beklagte hierbei nicht auf die von dem Amt für Straßen und Verkehrswesen für den Normalfall herausgegebenen Kontroll- und Wartungsanforderungen zurückziehen, denn im konkreten Fall lag ein derartiger Normalfall nicht vor.
Nach der amtlichen Auskunft des Deutschen Wetterdienstes hat am streitgegenständlichen Tag an der Wetterwarte Frankfurt Flughafen der ca. 20 km von der Unfallstelle entfernt ist, eine Windstärke von 8 Beaufort geherrscht. Nach der amtlichen Auskunft des Deutschen Wetterdienstes brechen bei einer derartigen Windstärke Zweige von den Bäumen. Bei einer derartigen Windgeschwindigkeit entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Baustellenverkehrsschild durch erhebliche Windeinwirkung sich aus seiner Verankerung lösen kann und Fahrzeuge beschädigen kann. Es kann insofern dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die von dem Amt für Straßen- und Verkehrswesen Frankfurt aufgestellten Kontroll- und Sicherungspflichten eingehalten hat; jedenfalls angesichts des stürmischen Windes und der von Baustellenschildern ausgehenden Gefährdung oblag es der Beklagten, das Schild besonders zu sichern. Dies galt umso mehr, als bereits am 10.5.2007 um 22.00 Uhr bis zum 11.5.2007 um 8.00 Uhr für den Bereich der Gemarkung Wiesbaden eine Wetterwarnung gültig war, in der vor Böen gewarnt wurde. Diese Warnungen des Deutschen Wetterdienstes sind auch der Allgemeinheit, z.B. über Internet, zugänglich. Grundsätzlich ist die Beklagte bei fühlbar starkem Wind verpflichtet sich über die zu erwartenden Böen zu informieren. Hierbei entbindet auch die Zusage des Herstellers der Schilder, dass diese eine gewisse Windresistenz aufweisen, die Beklagte nicht von ihrer Haftung. Ggf. muss sie sich im Verhältnis zu dem Hersteller schadlos halten.
Das Gericht kann der Auffassung der Beklagten nicht folgen, dass den Kläger ein Mitverschulden trifft. Gerade auf Autobahnen ist es nicht möglich, ohne Verstoß gegen die StVO das Einfahren in eine Baustelle bei hohen Windgeschwindigkeiten zu vermeiden, da das Vorhandensein von Baustellen nicht bereits vor der letztmöglichen Auffahrt angezeigt wird.“
Mitgeteilt von RA Dr. Tilmann Krach, Mainz
4 Anmerkung
Straßenbaustellen führen zu bedeutsamen Eingriffen in den Verkehrsfluss, insbesondere durch die Verminderung des Straßenquerschnitts. Die Entscheidung erfasst einen kleinen Ausschnitt aus den die Straßenbauunternehmen treffenden Sorgfaltspflichten. Einen Überblick über Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflichten gibt Reitenspiess in einem publizierten Vortrag auf dem 41. Deutschen Verkehrsgerichtstag (NZV 2003, 504 ff.). Besondere Sicherungsmaßnahmen waren von der Beklagten wohl nicht erst ab einer Windstärke von 8 Beaufort zu treffen. Vielmehr genügte hierfür schon eine solche Windbewegung, die das Herumfliegen von Warnschild...