BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz
In der Unfallversicherung wird die Verjährung des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung durch Erhebung einer Leistungsklage nur im Umfang des bezifferten Antrags gehemmt; dass sich nach Ablauf der Verjährungsfrist ein höherer als der mit der Klage geltend gemachter Invaliditätsgrad etwa auf Grund einer Beweisaufnahme ergibt, ändert daran nichts.
BGH, Urt. v. 11.3.2009 – IV ZR 224/07
Sachverhalt
Auf Grund eines Verkehrsunfalls am 18.7.1999, bei dem der vom Kläger gesteuerte Pkw seitlich angefahren wurde, erlitt der Kläger eine Prellung des linken Brustkorbs mit Rippenserienfraktur. Er macht Ansprüche aus einer bei der Beklagten abgeschlossenen Unfallversicherung geltend, der die AUB 94 zu Grunde liegen; die Versicherungssumme betrug zum Unfallzeitpunkt 300.128,33 EUR.
Die Beklagte holte eine ärztliche Stellungnahme ein, in der eine dauernde Invalidität des Klägers von 20 % attestiert wurde, und leistete eine Vorauszahlung. Eine weitere von der Beklagten in Auftrag gegebene Begutachtung gelangte dagegen zu dem Ergebnis, die Bewegungseinschränkungen des Brustkorbs und der Wirbelsäule seien nicht unfallbedingt. Darauf lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 19.8.2002 weitere Leistungen ab und forderte die bereits geleistete Vorauszahlung zurück.
Mit der am 12.2.2003 im Vorprozess eingegangenen Klage machte der Kläger den ihm bei einer Invalidität von 20 % zustehenden Betrag abzüglich der erhaltenen Vorauszahlung geltend. Mit Urt. v. 17.9.2004 ging das LG nach Einholung eines Sachverständigengutachtens von einer Invalidität des Klägers von 30 % aus, die aber nur zu 10 % unfallbedingt sei; es wies die Klage daher überwiegend ab. Ein weiteres, im Berufungsverfahren eingeholtes Gutachten vom 19.10.2005 gelangte dagegen zu dem Ergebnis, der Grad unfallbedingter Invalidität des Klägers sei mit mindestens 50 % zu veranschlagen, da es bei dem Verkehrsunfall nicht nur zu einer Rippenserienfraktur und Pneumohämatothorax gekommen sei, sondern auch zu einer Lungenkontusion. Das OLG legte dieses Gutachten seinem Urt. v. 23.3.2006 zu Grunde, ging danach von einer Invalidität von jedenfalls 20 % aus und gab dem Antrag des Klägers statt. Das Urteil wurde rechtskräftig.
Nach Ablehnung weiterer Leistungen durch die Beklagte fordert der Kläger im vorliegenden Verfahren den restlichen Betrag, der ihm an 50 % der Versicherungssumme noch fehlt. Die Beklagte beruft sich u.a. auf die Einrede der Verjährung.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: [7] „… I. Das BG ist von §§ 11, 12 des VVG in seiner bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: VVG a.F.) ausgegangen, die gem. Artt. 1, 3 Abs. 2 EGVVG hier weiterhin anzuwenden sind. Die aus dem Versicherungsvertrag geschuldete Leistung sei gem. § 11 Abs. 1 VVG a.F. spätestens mit dem Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 19.8.2002 fällig geworden. Die zweijährige Verjährungsfrist habe mithin am 31.12.2002 begonnen (§ 12 Abs. 1 VVG a.F.). Sie sei durch die Vergleichsverhandlungen der Parteien gem. § 12 Abs. 2 a.F. noch bis zur Ablehnung der Vorschläge der Beklagten durch den Kläger am 28.1.2003 gehemmt gewesen und mithin am 28.1.2005 abgelaufen. Die Klage im vorliegenden Verfahren sei indessen erst am 29.9.2006 eingegangen. Durch die Klageerhebung im Vorprozess sei die Verjährung nicht in Bezug auf die im vorliegenden Verfahren geltend gemachte zusätzliche Invaliditätsleistung gehemmt worden.
[8] Vielmehr beschränke sich die verjährungshemmende Wirkung der Ursprungsklage auf den mit ihr geltend gemachten bezifferten Betrag. Infolgedessen sei der Kläger durch die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess zwar nicht gehindert, nachträglich Mehrforderungen geltend zu machen, auch wenn er sie sich nicht vorbehalten habe. Er müsse aber hinnehmen, dass die Verjährung des nachgeschobenen Anspruchs selbstständig beurteilt werde. …
[11] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
[12] 1. a) Nach st. Rspr. des BGH ist sowohl für den Umfang einer Hemmung der Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB (vgl. § 209 Abs. 1 BGB a.F.) als auch für den Umfang der Rechtskraft der den prozessualen Anspruch bildende Streitgegenstand maßgebend, der durch den Klageantrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt wird; die Grenzen einer Hemmung der Verjährung sind grundsätzlich mit denen der Rechtskraft kongruent (vgl. BGHZ 132, 240, 243; 151, 1, 2; BGH FamRZ 2008, 675 Tz. 15 ff.). Wird nur ein Teil eines einheitlichen Anspruchs eingeklagt, wird die Verjährung auch nur insoweit gehemmt und die Rechtskraft beschränkt sich auf den eingeklagten Teilbetrag. Dies gilt auch, wenn für die Beteiligten nicht erkennbar war, dass nur ein Teil eingeklagt wurde (vgl. BGHZ 135, 178, 181). Ein Kläger, der – mit Absicht oder unbewusst – nur einen Teilbetrag eingeklagt hat, kann nachträglich Mehrforderungen geltend machen, auch wenn er sie sich nicht vorbehalten hat; er muss es jedoch hinnehmen, dass die Verjährung des nachgeschobenen Anspruchsteils selbstständig beurteilt wird (BGHZ 151, 1, 3).
[13] b) Von diesen Grundsätzen...