StPO § 46 § 267
Leitsatz
1. Ist die Rechtsbeschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 345 Abs. 1 StPO begründet worden und hat das AG dem Betroffenen insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, ist diese Entscheidung durch das dafür nicht zuständige AG für das weitere Verfahren bindend.
2. Auf die Angabe des Messverfahrens und des Toleranzabzuges kann bei Geschwindigkeitsverstößen nur in den wenigen Fällen eines echten "qualifizierten" Geständnisses des Betroffenen verzichtet werden. Dementsprechend muss aus den Urteilsgründen erkennbar sein, dass ein solches uneingeschränktes und glaubhaftes Geständnis vorliegt.
3. Der Wille, schnell voranzukommen, schließt nicht aus, lediglich sorgfaltspflichtwidrig die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Celle, Beschl. v. 9.4.2009 – 322 SsBs 301/08
Sachverhalt
Das AG hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in Tateinheit mit vorsätzlichem verbotswidrigem Rechtsüberholen außerhalb geschlossener Ortschaft zu einer Geldbuße von 170 EUR verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 5.3.2008 die Bundesautobahn A 7 in Richtung Hamburg und überschritt zwischen Kilometer 52,2 und 51,2 wissentlich und willentlich die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km um vorwerfbare 39 km/h. Zugleich überholte er, so die Feststellungen, in dem angegebenen Streckenabschnitt auf der Bundesautobahn verbotswidrig rechts. Beides tat der Betroffene, um schneller voranzukommen. Diese Feststellungen beruhen, so das AG, auf den geständigen Angaben des Betroffenen, der durch seinen Verteidiger habe vortragen lassen, er gebe den ihm vorgeworfenen Geschwindigkeitsverstoß und das verbotswidrige Rechtsüberholen zu.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hebt das OLG unter Verwerfung der weitergehenden Rechtsbeschwerde das Urteil mit den Feststellungen – mit Ausnahme derer zur Fahrereigenschaft des Betroffenen – auf und verweist die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieselbe Abteilung des AG zurück.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „ … II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Zwar ist die Rechtsbeschwerde zunächst nicht innerhalb der Monatsfrist des §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 345 Abs. 1 StPO begründet worden, doch hat das AG durch Beschl. v. 5.2.2009 dem Betroffenen insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Diese Entscheidung durch das dafür nicht zuständige AG ist für das weitere Verfahren bindend (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 46 Rn 3).
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache weitgehend – vorläufig – Erfolg. Das Urteil war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auf die vom Betroffenen erhobene Sachrüge hin aufzuheben.
Die bisher vom AG getroffenen Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung tragen den Schuldspruch und damit auch die verhängten Rechtsfolgen nicht.
Die Urteilsgründe erweisen sich als lückenhaft i.S.v. § 267 Abs. 1 StPO, weil nicht mitgeteilt wird, mit welchem Messverfahren die Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt worden ist. Auf diese Angabe durfte vorliegend auch nicht wegen des Geständnisses des Betroffenen verzichtet werden. Aus den Urteilsgründen ergibt sich lediglich, dass der Betroffene den ihm vorgeworfenen Geschwindigkeitsverstoß und das verbotswidrige Rechtsüberholen zugebe. Dies reicht für eine Verurteilung aber nicht aus.
Auf die Angabe des Messverfahrens und des Toleranzabzuges kann bei Geschwindigkeitsverstößen nur in den wenigen Fällen eines echten "qualifizierten" Geständnisses des Betroffenen verzichtet werden (vgl. dazu OLG Bamberg, NStZ-RR 2007, 321 [= zfs 2007, 291]; Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 15.12.2003, 1 Ss (Owi) 234b/03; OLG Hamm, Beschl. v. 18.9.2008, 2 Ss (Owi) 707/08). Seit der grundlegenden Entscheidung BGH NJW 1993, 3081 [= zfs 1993, 390] ist anerkannt, dass dann, wenn der Betroffene uneingeschränkt und glaubhaft gesteht, die vorgeworfene Geschwindigkeit mindestens gefahren zu sein, es nicht einmal der Angabe des Messverfahrens und der Toleranzwerte bedarf. Dementsprechend muss aus den Urteilsgründen erkennbar sein, dass ein solches uneingeschränktes und glaubhaftes Geständnis vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall. Der Tatrichter hat nicht festgestellt, ob und warum er von der Richtigkeit der Angaben des Betroffenen überzeugt ist. Da die Urteilsgründe sich mithin nicht dazu verhalten, aus welchen Gründen der Bußgeldrichter das Geständnis des Betroffenen für glaubhaft erachtet hat (vgl. dazu auch Brandenburgisches OLG, a.a.O.), enthält das Urteil einen Darlegungsmangel, der auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt.
Den Urteilsgründen kann ferner mangels einer – wenigstens zusammenfassenden – Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen auch nicht entnommen werden, ob sein Geständnis auf sicherer Kenntnis bzw. zuverlässiger Schätzung beruht und deshalb dem Geständnis erhöhte Überzeugun...