StVZO 31a
Zur Verwertbarkeit einer Abstandsmessung mit dem Verkehrskontrollsystem VKS 3.0 im Verfahren betreffend die Anordnung des Führens eines Fahrtenbuchs (im Anschluss an Beschluss des Senats vom 15.3.2010 – 12 ME 37/10, zfs 2010, 295 = NJW 2010,1621).
Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 7.6.2010 – 12 ME 44/10
Die Antragstellerin ist Halterin des Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen D. Mit dem Fahrzeug soll am 3.4.2009 in G auf der Bundesautobahn A 28 bei einer Geschwindigkeit von 121 km/h der erforderliche Abstand von 60,5 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten worden sein. Nach Auswertung des von dem Autobahnpolizeikommissariat E. eingesetzten Verkehrskontrollsystems VKS 3.0 der Firma V. soll der Abstand (nach Toleranzabzug) 25 m und damit weniger als 5/10 des halben Tachowertes betragen haben. Mit Verfügung vom 9.12.2009 ordnete die Antragsgegnerin nach Anhörung der Antragstellerin für das betroffene Fahrzeug oder ein dafür eingesetztes Ersatz- oder Nachfolgefahrzeug für die Dauer von sechs Monaten das Führen eines Fahrtenbuches und zudem die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme an, weil der verantwortliche Fahrzeugführer bei dem Verkehrsverstoß nicht habe ermittelt werden können.
Das VG hat die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid erhobenen Anfechtungsklage der Antragstellerin wiederhergestellt und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die im Verfahren gem. § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten der Antragsgegnerin aus, weil die angegriffene Verfügung im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Bestand haben werde. Die Voraussetzungen des § 31a StVZO für die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches seien nicht erfüllt. Eine Zuwiderhandlung i.S.d. Vorschrift sei nicht erwiesen. Die Methode, mit der die in Rede stehende Unterschreitung des Mindestabstands gemessen worden sei, sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als verfassungswidrig anzusehen. Insoweit hat sich das VG auf die Begründung in dem Beschluss des OLG Oldenburg vom 27.11.2009 (Ss Bs 186/09, DAR 2010, 32) bezogen, in dem dieses sich mit der Frage der Verfassungsgemäßheit von Abstandsmessungen mit dem Verkehrskontrollsystem 3.0 der Firma V. befasst hat. Selbst wenn mit dem Fahrzeug die von der Antragsgegnerin geltend gemachte Unterschreitung des gebotenen Mindestabstands begangen worden sei, sei die Abstandsunterschreitung wegen Verfassungswidrigkeit der Messmethode nicht ahndungsfähig. Insoweit sei die Vorschrift des § 31a StVZO nicht anwendbar. Im Übrigen fehle es jedenfalls an einem Verstoß, der hinreichend gravierend i.S.d. § 31a StVZO sei. Auf Grund des eigenen Vortrags der Antragstellerin könne auf das Begehen der Zuwiderhandlung nicht geschlossen werden, weil das Vorbringen erst nach Einstellung des Bußgeldverfahrens und nach Eintritt der Verfolgungsverjährung angebracht worden sei.
Mit ihrer dagegen erhobenen Beschwerde macht die Antragsgegnerin geltend, die Anwendbarkeit des § 31a Abs. 1 StVZO setze nicht voraus, dass der zugrunde liegende Verkehrsverstoß in einem straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfahren geahndet werden könne und der Ahndung ein Beweisverwertungsverbot nicht entgegenstehen könnte. Der Nachweis des Verkehrsverstoßes müsse im Fahrtenbuchverfahren gesondert geprüft werden, insoweit sei auch die Frage eines Beweisverwertungsverbotes eigenständig zu beurteilen. Dieses komme hier nicht in Betracht, vielmehr müsse der in Rede stehende Verkehrsverstoß im Interesse der Allgemeinheit an einem möglichst sicheren Straßenverkehr als begangen zugrunde gelegt werden.
Aus den Gründen:
“… II. Auf der Grundlage des Beschwerdevortrags, auf dessen Prüfung der Senat gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ist bei der im gerichtlichen Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage davon auszugehen, dass sich die gegen die Antragstellerin verfügte Fahrtenbuchauflage im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird. Deshalb muss das Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung des Bescheides gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung zurücktreten, welches die Antragsgegnerin gem. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend begründet hat.
Die Verwaltungsbehörde kann nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO gegenüber einem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Das ist der Fall, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde können sich dabei an dem Verhalten und der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg biete...